Teil Eins: Masken des Geistes AN DIE, DIE NICHT KAM

Teil Eins: Masken des Geistes

AN DIE, DIE NICHT KAM

Einleitung
Hast du schon einmal allein in einem dunklen Raum gesessen und deine eigene Stimme gehört, lautlos, von niemandem sonst wahrgenommen?
Hast du das Gewicht des Schweigens gespürt, wenn du ein Wort nicht gesagt oder einen Schritt nicht getan hast, obwohl es nötig war?
Wenn du denkst, du bist sicher, nur weil du diese Seiten liest, denk noch einmal nach.
Dieser Roman erzählt nicht die Geschichte eines anderen. Er ist ein Spiegel, der zeigt, wovor du lange geflohen bist.
Hier spricht dein Schweigen. Hier offenbart dein Zögern eine Wunde, die gesagt werden musste.
Du wirst gefragt nach den Momenten, in denen du dich selbst im Stich gelassen hast, nach den Schatten, die du geworfen hast, um dein Gesicht zu verbergen.
Hast du dich jemals gefragt:
Wer bist du, wenn du das Buch schließt und allein bist?
Wer bist du in deiner Zerbrechlichkeit, in den Leerstellen deiner Brust, wo eine Stimme wohnt, die nur dir gehört?
„Masken des Geistes“ ist keine Unterhaltung, keine Reise hinaus.
Es ist eine strenge Einladung, das zu überprüfen, was du nicht gesagt hast, als es nötig war, und das zu tun, was du nicht getan hast, als es nötig war.
Lies weiter – aber auf eigene Verantwortung. Jede Zeile ist eine direkte Frage:
Wo warst du, als du schwiegst?
Wer warst du, als du flohst?
Diese Einleitung ist nicht nur eine Inhaltsangabe, sie ist ein stilles Gebet:
Geh hinein in einen Text, der dich für dein Schweigen zur Rechenschaft zieht, der dich deiner Masken entkleidet, um mit der Hauptfigur ewige Fragen zu stellen:
Wer sind wir in unserer Einsamkeit?
Und was bedeuten Worte, wenn sie uns nicht vor dem Nichts retten?
Numan Albarbari
Kapitel Eins
Der Raum lag in einem dünnen Schweigen, nur durchbrochen von einem schüchternen Sonnenstrahl, der durch das Fenster kroch. Der Wind spielte mit den Vorhängen, wie Atemzüge einer fernen Frau, die niemals seine Tür berührt hatte.
Er saß an seinem alten Tisch, die Finger zitternd über das abgenutzte Notizbuch, und schrieb mit zögerlicher Tinte:
“Ich schreibe dir wieder… an diejenige, die nicht kam und doch nicht ging, weil sie nur in meiner Vorstellung existierte.”
Langsam hob er den Kopf. Da stand sie, wie immer in seinen Gedanken, am Rand des Raums. Ihr Gesicht ein zögerndes Spiel aus Licht und Schatten, Augen, die Sicherheit boten, als könnten sie all seine Irrwege heilen.
Seine Stimme bebte, als er flüsterte:
“Weißt du, dass du die erste Inspiration für mein Schreiben warst? Nicht, weil du jetzt in meiner Erinnerung erscheinst, sondern weil du nie da warst. Du warst ein Vakuum, das mich verschlang, ein Schatten, der mir erschien, wann immer ich die Augen schloss. Ein Traum, der zurückwich, sobald ich ihn greifen wollte.”
Sie blieb still in seiner Vorstellung, lauschte ohne ein Wort.
Er atmete tief und fuhr fort, als rede er zu ihr:
“Als ich einst diese Worte fand, fühlte ich dich. Es war, als seien sie für dich geschrieben. Ich durchblätterte alte Seiten, suchte meine Geschichte… wo alles begann, wie ich allein gegen das Leben kämpfte, ohne Hand, die die Last der Stadt von meinen Schultern nahm, ohne Brust, der ich mich anvertrauen konnte. Die Fremde hat mich verwundet, der Weg hat mich ermüdet.”
In Gedanken trat er einen Schritt auf sie zu, zögernd, als müsse er sich der Begegnung stellen, vor der er lange geflohen war, und sagte:
“Jeden Morgen, wenn ich aufwache, pocht etwas in mir, das dir ähnelt. Ich schreibe, damit das Schweigen mich nicht verschlingt. Ich schreibe von Wunden, die mich Geduld lehrten, von verlorener Hoffnung, von Schmerz, der meine Seele bewohnt und keinen Namen hat. Ich rede mit mir selbst beim Schreiben, so wie ich gehofft habe, mit dir zu reden.”
Seine Stimme zitterte, er legte die Hand auf die Brust und murmelte:
“Ich schrieb einst und verließ das Schreiben. Die Tage zogen mich in einsame Tiefen, führten mich in eine Fremde, die keine Heimat kannte – nur die Fremde des Herzens. Ich war müde… und trotzdem ging ich weiter. Das Leben geht weiter. Die Einsamkeit hat mich gelehrt, allein zu gehen.”
Tiefe Stille breitete sich aus. Er senkte den Kopf, als lausche er ihrer Antwort, doch sie blieb in ihrem ewigen Schweigen. Mit einem warmen Flüstern neigte er sich zu ihr:
“Ich habe gelernt, dich, dass ich lieben kann, was ich aus der Tiefe tue. Ich schreibe nur, wenn ich meiner eigenen Seele etwas gestehen muss. Ich lasse meine Worte ein geheimes Gespräch sein, das nicht veröffentlicht, nicht gezeigt, nicht verstanden wird… das mich allein rettet.”
Er trat einen Schritt näher, so dass er fast die schemenhaften Umrisse berührte, die aus Luft und Lichtfetzen geformt schienen. Mit tränenden Augen flüsterte er:
“Vielleicht bist du nur Einbildung… und doch die Einbildung, die mich Ehrlichkeit lehrte. Du warst ein rätselhaftes Bild, das mein Chaos ordnete. Du warst Abwesenheit, und doch gabst du mir das Schreiben. Und ich… ich kann meine Gedanken niemandem anvertrauen, außer dir. Denn du bist, einfach gesagt, niemand.”
Sie schien bereit zu sein zu sprechen. Er sammelte sich, hörte auf die Stille um ihn herum, als könne er einen Moment der Wahrheit einfangen. Sie sah ihn an, die Augen von Licht durchzogen, und flüsterte zaghaft:
“Warum sprichst du mit einem Schatten, der nicht existiert? War da niemand unter den Menschen, der dir zuhören konnte?”
Langsam schloss er sein Notizbuch und starrte ins Leere. Sie war verschwunden, und doch blieb ein seltsames Wärmegefühl in seinem Herzen, als hätte sie ihm zugewinkt, bevor sie ging.
Leise entglitt seinen Lippen ein unhörbares Wort:
“Weißt du… ich weiß, dass du noch da bist. In jener Ecke, die niemand außer mir sieht. Ich sehe dich, wie ich dich das erste Mal zeichnete, mit deinem geheimnisvollen Lächeln, mit Augen, die all diese Enge fassen, mit einer Güte, die die Stadt nie besaß. Deshalb… beginne ich, mit dir zu sprechen.”
Sein Brustkorb zitterte. Er griff nach seinem Notizbuch, suchte nach etwas, das seine Wirklichkeit festhielt. Sein Herz schlug langsam, die Luft um ihn schwer von diesem Moment. Es fühlte sich an, als würde seine Anwesenheit bei ihr, selbst als Echo, die Worte in seiner Brust erzittern lassen, bevor sie frei werden.
“Lass mich meine Geschichte ordnen… vielleicht findest du im Geständnis Erleichterung von alter Enge. Ich will dir von meinem Anfang erzählen, von dem Kind, das ich war; das Kind, das glaubte, die Welt sei ein Kasten voller Farben und ein Blatt zum Zeichnen, dass jede Wunde ein Pflaster aus Geschichten und jede Nacht einen Stern habe, der wartet.”
Sie kehrte zurück und setzte sich ihm gegenüber, geduldig, als hätte sie auf diesen Moment gewartet. Ihre Worte waren kurz, klar, voll konzentrierter Bedeutung:
“Dann erzähl… von deinem Anfang, von dem Kind, das du warst.”
Er seufzte. Seine Augen wanderten nach innen, als wolle er verlorene Erinnerungen in der veränderlichen Zeit sammeln. Langsam griff er nach Stift und Notizbuch, das Herz pochte ruhig, getragen von langem Schweigen.
Sie lehnte sich leicht vor, ein leises Lächeln auf den Lippen, als spüre sie jedes Zittern in seiner Seele. Sein Schweigen sprach mehr als Worte; jede Bewegung in seiner Brust erzählte von Schmerz und Hoffnung.
Er schritt ein kurzes Stück im Raum, kehrte zurück und setzte sich wieder ihr gegenüber, hielt jeden Atemzug fest, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich da war. Er bereitete sich auf das Bekenntnis vor, die Augen glänzten wie von unvergossenen Tränen, während Bilder der Vergangenheit und verlorene Wünsche vor ihm auftauchten – ein stilles Mosaik aus Farben und Geschichten.
Das Schweigen umarmte ihn. Der leere Raum ließ die Stimmen und Dinge aus den Schatten ins Licht entweichen. Ihr Schemen schwebte zwischen Realität und Erinnerung, und er sprach, innerlich, mit sanften Bewegungen, als zitterten Worte und Schatten gemeinsam in seinem Inneren.
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Kapitel Zwei
Ich rannte durch den engen Hof. Der Regen prasselte auf meine Schultern. Ich lachte. Die Wolken hingen wie eine Schaukel im Himmel, nur für mich. Ich wusste nicht, dass Herzen zerbrechen. Ich ahnte nicht, dass Abschied mehr weh tut als Fallen.
Sie saß still, hörte zu. Leise sagte sie:
“Dann erzähl… von deinem Anfang.”
Ich trat näher. Jeder Atemzug, jedes Flüstern im Raum – ich spürte es. Mein Herz schlug ruhig und schwer zugleich. Tränen glänzten in meinen Augen, ordneten den Schmerz, die Geheimnisse. Das Zimmer schien stillzustehen. Nur die Worte wollten geboren werden.
Ich griff nach dem Stift. Meine Augen suchten sie, fragten stumm:
“Weißt du…? In der Kindheit sah ich alles voller Staunen. Der Regen lachte mit uns. Wolken waren weiße Kissen, die über den Himmel rollten. Der Schatten meines Vaters an der Tür war ein beweglicher Berg. Die Schritte meiner Mutter in der Küche, ihr Duft, ihre Wärme – eins, untrennbar.”
Jeder Moment brannte sich ein. Die Welt war einfach, voller Farben und Geschichten. Ich wollte sie festhalten. Alles, bevor die Zeit es verändert.
Ich suchte in den Gesichtern meiner Geschwister nach einem Geheimnis, nach einem Licht, das sie zum Laufen und Lachen brachte – ohne Grund. Manchmal lauschte ich den Stimmen der Nachbarn durch die Lehmwände und stellte mir eine andere Welt vor, parallel zu unserer. Eine Welt, die ähnlich aussah, aber weiter, reicher an Farben.
Ich glaubte, jedes Haus habe einen Feigen-, Oliven-, Beeren- oder Walnussbaum, und dass jedes Kind auf einem Kissen schlief, das von einem Stern bewacht wurde.
Doch die Augen des Kindes verbargen größere Fragen, als es ertragen konnte. Warum gehen Menschen plötzlich und kehren nie zurück? Warum weint meine Mutter manchmal nachts, während sie denkt, wir würden schlafen? Ich sah, wie sie ihre Tränen im Saum ihres Kleides wischte, und spürte, dass die Welt größer war als unser Lachen und gleichzeitig enger als ihre Brust in diesem Moment.
Weißt du? Ich lebte in einem seltsamen Gleichgewicht: die eine Hälfte spielte, rannte durch den Schlamm, die andere lauschte still auf etwas, das ich nicht benennen konnte. Vielleicht war es Trauer, vielleicht nur das frühe Bewusstsein, dass die Dinge nicht sind, wie sie scheinen.
Jetzt versuche ich, diese Szenen mit anderen Augen zu sehen. Augen, die wissen, dass Kindheit nicht nur ein Spielplatz war, sondern auch ein geheimes Buch, das im Herzen Samen von Fragen pflanzte, die mit uns wuchsen.
Ich rannte barfuß durch enge Gassen, jagte Vögel, als wären sie Geheimnisse, die vor mir flogen. Mein Schrei hallte zwischen den Lehmwänden wider, und ich glaubte, das Dorf antwortete mir. Beim Versteckspiel dachte ich, die Wand, an die ich mich lehnte, bewahre mein Geheimnis und schütze mich davor, entdeckt zu werden.
Ich erinnere mich, wie ich nachts durch die Straßen des Dorfes ging, während der Mond meine Augen erleuchtete. Ich versuchte, meine Schritte mit seinen zu messen, als würde er mich begleiten – ein geheimer Freund oder ein stiller Engel, der meine Einsamkeit erträglich machte. Es war eine Begleitung nur für mich, ein Geschenk, das mir den Weg zeigte, den ich eines Tages gehen würde, und mir versprach, dass Einsamkeit niemals mein Schicksal sein würde.
Ich erinnere mich an meine erste Schule: Die schwarze Tafel erschien mir wie ein Tor zu einem fernen Wald, die Kreide wie ein Zauberstab, der Worte aus dem Nichts hervorbrachte. Ich lauschte der Lehrerin beim Schreiben der Buchstaben und spürte, dass jeder Buchstabe lebendig war – mit Stimme, Gesicht, Ausdruck. Ich verstand nicht, warum manche Mitschüler lachten, wenn ich Fehler machte. Doch zu Hause schrieb ich die Buchstaben auf den Boden zurück und fühlte, dass die Erde zu meinem eigenen, offenen Heft wurde.
Meine Großmutter war wie ein altes Buch, das Geschichten erzählte, wenn man es am Abend aufschlug. Ich saß zu ihren Füßen und hörte von vergangenen Tagen, von Männern, die fortgingen und nicht zurückkehrten, und von Frauen, die geduldig Kleidung für das Leben webten. Ich verstand nicht alle ihre Worte, doch ich sah manchmal eine Träne in ihren Augen und spürte, dass hinter dem Gesagten etwas Unaussprechliches lag.
Ich sah die Welt klein, begrenzt durch die Mauern unseres Hauses, den Schatten der alten Maulbeere an der Tür und den Ruf des Muezzins, der den Morgen durchbrach. Und doch stellte ich mir hinter jenem fernen Berg Länder vor, die vielleicht nicht einmal meinen Träumen glichen. Damals wusste ich nicht, dass ich schon früh nach einem Ort suchte, der meinen Träumen Raum geben könnte.
Weißt du, wenn ich heute mit den Augen eines Erwachsenen zurückblicke, erkenne ich, dass das Kind in mir mehr sah, als die Erwachsenen ahnten. Es entdeckte Freude in den kleinsten Dingen, bemerkte aber auch die Schatten des Kummers zwischen den Linien. Ich lachte, während ich durch den Schlamm rannte, doch mein Herz bebte, wenn ich eine Träne aus Mamas Augen fallen sah. Ich hatte keine Erklärung, ich spürte nur, dass das Leben nicht nur Spiel und Sicherheit war. So blieb meine Kindheit für mich ein offenes Buch auf zwei Seiten: eine Seite voller Licht und Lachen, die andere voller Geheimnis, Staunen und Sorge.
Manchmal träumte ich Dinge, die ich nicht ganz verstand. Die Träume besuchten mich wie geheimnisvolle Boten in der Nacht. Einmal ging ich einen langen Weg entlang, gesäumt von Lichtsäulen, als sei es eine Brücke in eine Stadt, die unser Dorf nicht glich. Unser kleines Haus öffnete seine Türen zu einem weiten Platz voller fremder Gesichter, und ich stand vorne, als müsste ich ein Wort sagen, dessen Bedeutung ich nicht kannte.
Ich erwachte, mein Herz schlug schnell, und ich versuchte, den Traum zu deuten. Doch er blieb wie ein fernes Licht, winkte mir zu und verschwand. Vielleicht zeigten mir diese Träume Wege, die ich Jahre später gehen würde, und Stimmen, die ich an Orten hören würde, die ich mir nie vorgestellt hatte.
Ich sah einen Wald aus Büchern, bewegte mich zwischen seinen Zweigen wie ein Vogel, der verschiedene Stimmen bewahrt, und versuchte, die Wörter zu betrachten wie Sterne auf Papier. Ich wusste nicht, dass ich eines Tages durch diese Bücher in eine andere Welt eintreten würde.
Das Dorf verschmolz in einen großen Traum, seine Felder öffneten sich zu breiten Straßen, und ich wanderte durch eine erleuchtete Stadt voller Träume, hörte fremde Stimmen in Sprachen, die ich nicht verstand, und spürte Wärme und Sehnsucht in meinem Herzen. Einmal träumte ich, ich säße in einem großen Saal vor einem europäischen Lehrer, der eine präzise Zeichnung auf weißem Papier hielt und mir bestätigte, dass ich etwas getan hatte, das Anerkennung verdiente. Ich erwachte mit dem Echo seiner Stimme und wusste nicht, dass diese Szene eines Tages Wirklichkeit werden würde.
Die Träume bildeten für mich eine ungemalte Karte: Brücken über Flüsse, Stimmen, die über meine Schritte sprachen, und manchmal stand ich mitten in einem großen Kreis, umgeben von Menschen, die darauf warteten, dass ich ein Wort sagte oder etwas präsentierte. Ich zitterte im Traum, aber zugleich spürte ich eine geheimnisvolle Kraft, die mich vorwärts zog.
Und wie seltsam, dass der Traum wie ein Wink kommt und wieder verschwindet – als wollte er mir sagen: „Fürchte dich nicht, dein Weg liegt vor dir. Eines Tages wirst du deinen Platz finden zwischen den Büchern, den Menschen und der Stadt.“
Am Morgen trug ich noch die Spur dieses Versprechens in mir, und auf dem Weg zur Schule spürte ich, dass meine kleinen Schritte auf dem Dorfstaub mich eines Tages zu einem größeren Ort führen würden – einem Ort, der meinen Traum fasst, der in den Augen anderer fern wirkt, doch in meinem Herzen so nah flüstert: „Dort wirst du dich selbst finden.“
Kapitel Drei
Weißt du…?
Als ich in die Welt der Jugend eintrat, war nichts so, wie es in den bunt geschmückten Geschichten erscheint.
Ich war nicht der Junge, dem die Blicke in den Gängen der Schule folgten, nicht der kleine Ritter, der seine Siege über Mädchenherzen prahlend zur Schau stellte. Ich war einfach fremd in all dem; suchte mich selbst zwischen Gedichtheften und den Seiten einfacher Traumgeschichten und fragte still und verwirrt: „Gibt es jemanden, der mir ähnelt?“
In diesem Alter war das Herz zerbrechlich wie dünnes Glas am Rand; jedes Wort kratzte daran, jeder Blick verwandelte sich in eine Frage ohne Antwort. Nach und nach erkannte ich, dass die Welt sich nicht um die Träume dreht, wie ich geglaubt hatte, sondern um heimliche Kämpfe, die wir allein austragen, während wir lächeln, damit unser Schmerz nicht sichtbar wird.
Ich starrte lange in den Spiegel, nicht um meine Züge zu prüfen, sondern um mich zu vergewissern, dass ich noch da war – hinter diesem sich verändernden Gesicht. Ja, ich veränderte mich, doch ich fürchtete, das Kind zu verlieren, das sein Leid in einem kleinen Heft verbarg und zu sich selbst sagte: „Eines Tages werde ich all das verstehen.“
Erinnerst du dich an die erste Enttäuschung?
Ich erinnere mich sehr gut.
Mein Herz hing an einem Menschen, der in mir nichts sah als einen flüchtigen Schatten. Mein Herz bat meinen Verstand zu gehorchen, zurückzutreten – doch er tat es nicht. In diesem Moment schmeckte ich die Bitterkeit der ersten Enttäuschung; sie war kein bloßes Lehrstück, sondern ein bitterer Kloß, der in meiner Kehle stecken blieb, den kein Wasser löschte und keine Worte beschrieben.
Ich kehrte in mein Zimmer zurück, nicht um mich auszuruhen, sondern um meine zerstreuten Stücke zu sammeln. Ich setzte mich an die Bettkante, öffnete erneut mein Heft. Doch an jenem Tag war das Schreiben kein Leben, nur ein Strohhalm, der mich vor dem Ertrinken rettete.
Manchmal sah ich dich – ja, in meiner Vorstellung.
Du kamst, als wärst du die Antwort auf einen Wunsch, den ich nicht auszusprechen wagte. Du saßt still, hörtest mir zu, während ich Geheimnisse ausbreitete, die niemand glauben würde. Und ich glaubte, du würdest mir glauben. Deshalb brauchte ich kaum noch andere Menschen, solange ich dich so erschaffen konnte, wie ich es wollte: zuhörend, ohne zu unterbrechen, verstehend, ohne zu richten.
Weißt du…? Jede Enttäuschung baute mich neu auf – tiefer, geordneter im Herzen. Die Einsamkeit, die ich als Kind fürchtete, wurde in meiner Jugend meine Freundin. Aus ihr lernte ich, dem Sturm zu begegnen, statt vor ihm zu fliehen.
Ich war ein stilles Kind, sprach mit mir selbst in den Winkeln des Hauses, versteckte mich hinter Fensterläden oder in den Schränken, wenn andere mich nicht verstanden. Als hätte ich von Anfang an gewusst, dass ich meine Enttäuschungen auf meinen kleinen Schultern tragen und allein erzählen würde.
Weißt du…? Meine Spiele hatten keine Stimme, kein Flüstern wie bei den anderen Kindern. Sie existierten einfach nicht für mich. Stattdessen sprach ich mit dir… mit diesem Schemen, der mich besuchte.
Ich bin gewachsen.
Und mit jedem Jahr ging mein Körper seinen Weg, während meine Seele irgendwo hängenblieb – im kleinen Zimmer, in der hölzernen Bibliothek, zwischen den Geschichten, die ich unter mein Kissen versteckte.
Niemand fragte mich jemals: „Was fühlst du?“
Doch ich schrieb die Antwort am Rand meiner Schulhefte, mit einem zerbrochenen Stift… und einem noch zerbrocheneren Herzen.
Lass mich jetzt fortfahren, wenn du mir erlaubst. Ich werde dir weitere Kapitel erzählen, von meiner Reise zwischen Verlorenheit und Hoffnung, zwischen einem Traum, den ich tagsüber vergrabe, und den ich nachts heimlich wiederbelebe…
Aber jetzt, lass mich deine Hand halten, als wärst du wirklich hier… und den Weg zu Ende gehen.
Ich schreibe, um nicht zu vergessen, und damit mich die Ferne nicht auslöscht.
Weißt du? Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich nicht zu dir schreibe, sondern durch dich schreibe…
Als wärst du die Tinte, die aus meinem Schmerz fließt, ohne dass du es weißt.
Die Worte strömten aus seinem Herzen, noch bevor der Stift sie auf das Papier setzte, und seine Augen hingen in der Leere vor ihm – jener Leere, gefüllt mit einem Hauch von Zuneigung und geheimnisvollem Traum.
Er hob leicht den Kopf, und seine Stimme zitterte vor leiser Bitte:
„Ich wollte, dass du Zeugin bist dessen, was niemand sonst sah… Ich wollte, dass du die Gefährtin bist, die mich liest, wenn ich schweige, nicht wenn ich spreche. Dass nur du bist, die versteht, was zwischen den Zeilen liegt.“
In seiner Vorstellung kam er ihr Schritt für Schritt näher, die Hände ausgestreckt, als würde er eine verlorene Wärme berühren oder den letzten Faden der Hoffnung aufgreifen.
„Weißt du, wie oft ich dir schrieb, ohne deinen Namen zu kennen? Und wie oft ich dich ansprach, als wärst du mein Spiegel, keine Fremde?“
Seine Stimme zitterte, und er schloss die Augen einen Moment lang, bevor er flüsterte:
„Als meine kleinen Träume mitten auf der Straße zerbrachen, warst du es, die sie in meiner Vorstellung wieder zusammensetzte. Die Fremde war weit, viel kälter, als ich erwartet hatte… aber ich sah dich an den Ecken: still, aufmerksam, verstehend, lächelnd. Woher kam diese unsichtbare Gegenwart?“
Er öffnete die Augen zu einem blassen Lächeln und wischte mit der Hand über eine Träne, die sich hartnäckig davonmachen wollte:
„Ich bin verschlossen, wie du weißt. Ich erzähle niemandem etwas. Niemand hört zu. Aber du… du warst immer da. Du unterbrachst nicht, du kamst nicht vorpreschend, du richtetest kein Urteil… du hörtest einfach zu. Und vielleicht deshalb liebte ich dich.“
Langsam schluckte er, senkte den Kopf, als spräche er ein Geheimnis, das niemals verbreitet werden durfte:
„Ich weiß, dass du eine Illusion bist… und dass niemand anderes dieses Gespräch hört… aber du hast mich aus der Illusion gerettet. Vielleicht, wenn es mir eines Tages bestimmt sein sollte, dich wirklich zu treffen, bräuchte ich nicht viele Worte. Es würde genügen, dass du mich ansiehst, so wie du es hier getan hast… in meiner Vorstellung.“
Dann richtete er seinen Blick zur Nacht hinter dem Fenster und murmelte mit rauher, leiser Entschlossenheit:
„Weißt du? Heute bin ich stärker… weil ich jemanden geliebt habe, der niemals irrt, niemals enttäuscht, niemals verrät… weil er gar nicht existierte. Und aus der Abwesenheit habe ich gelernt, was es heißt, präsent zu sein.“
Er schloss sein Heft sanft und löschte das Licht. Doch ihr Bild blieb dort, still in der Ecke, lauschend, wie er es immer gewohnt war.
Tage und Tage später kehrte er zu seinem Heft zurück, öffnete es, betrachtete die Zeilen, die er geschrieben hatte, und fuhr erneut fort:
„Weißt du…? Ich bin ein wenig gewachsen, und ich kann mich nicht mehr hinter Heften verstecken, wie ich es früher tat. Das Leben drängt mich auf Straßen, in das Gedränge von Gesichtern, in Prüfungen, Freundschaften und Erfahrungen, denen ich nicht entfliehen kann. Doch überall suche ich nach dir.
Ich gehe unter den Menschen und frage mich: ‚Könntest du unter diesen Gesichtern sein?‘ Dann gehe ich enttäuscht zurück, wie jemand, der einen Stern auf einem überfüllten Markt sucht.“
Kapitel Vier
An der Universität lächelten die Gesichter, doch mein Herz blieb still. Ich saß zwischen Kommilitonen, nickte bei ihren Gesprächen über Professoren, Bücher und das Leben in der Stadt, und doch schrieb etwas anderes in mir—eine Geschichte für dich. Ich lernte, natürlich zu wirken, zu lachen, wenn es nötig war, Interesse zu zeigen, wenn der Moment es verlangte. Doch meine Einsamkeit glitt wie ein verborgenes Licht durch meine Augen, unsichtbar für alle anderen.
Freundschaften hatten hier viele Formen: Manche entstanden schnell, in Fluren oder zwischen den Regalen der Bibliothek, und verblühten nach wenigen Wochen. Andere waren wie Wurzeln—verankert im Boden, standhaft gegen jeden Wind. Ich mischte mich in ihre Runden, lachte, spielte, und doch fühlte ich mich fremd, als säße ich in einem stillen Keller, während über mir das Leben lärmt.
„Warum bist du immer so still?“ fragten sie oft. Ich lächelte, gab eine knappe Antwort, und ließ das Gespräch weiterfließen. Doch in Wahrheit schrieb jedes Wort in meinem Herzen deinen Namen, und jeder Augenblick mit ihnen erinnerte mich daran, dass ich nur nach dir suchte.
Im Universitätsgarten verstreuten sich die Gesichter wie Farben auf einer riesigen Leinwand. Ich ging hindurch, nickte, grüßte, doch in meiner Brust blieb eine Leere, die weder Lärm noch Lachen füllen konnten. Manchmal saß ich am Rand der Gruppen, tat interessiert, während meine Augen nach einem Gesicht suchten, das noch nicht da war.
Im Café der Universität saßen wir an verstreuten Tischen, die Tassen dampften, der Rauch stieg auf, Stimmen mischten sich zu Streit, Gelächter, Diskussionen. Einer fragte: „Was siehst du in der Zukunft?“
Ich antwortete kurz, verbarg dahinter einen Sturm aus Träumen und Angst. Sie glaubten, ich sei von Natur aus ruhig. Doch heimlich schrieb ich dir eine lange Nachricht:
„Ich bin hier… und immer noch auf der Suche nach dir.“
In der Bibliothek, zwischen endlosen Regalen, herrschte eine tiefe Stille. Ich fühlte mich mir selbst am nächsten. Ich blätterte in den Seiten, tat so, als würde ich in den Studien versinken, und hörte dabei ein leises Flüstern in mir: „Wäre es doch möglich, dass du hier bist, neben mir, und das Buch zu einer Brücke zwischen unseren Herzen wird.“
So bewegte ich mich zwischen Hof, Café und Bibliothek, übte das Leben in seiner Oberfläche und trug in mir ein Geheimnis: Ich gehörte nur dir und suchte nur dein Gesicht, das Tag für Tag ausblieb.
Manchmal saß ich mit Kommilitonen im Hof, wir sprachen über Professoren und Prüfungen. Einer lachte: „Seht ihr nicht, wie der Professor erklärt? Es ist wie der Wind—er beginnt irgendwo und wir wissen nie, wo er endet!“ Alle lachten, und ich lächelte mit, während meine Gedanken ganz woanders waren, an einem Ort, den niemand kannte.
An einem anderen Tag im Universitätscafé, zwischen klappernden Tassen und Stimmengewirr, fragte eine Kommilitonin: „Warum sprichst du so wenig? Verbirgst du etwas?“
Ich lächelte: „Ich habe nichts zu verbergen, ich höre einfach lieber zu.“
Ein Freund mischte sich ein: „Er hat seine eigene Welt, und wenn er sie uns öffnen würde, könnten wir darin nicht stehen.“ Alle lachten. Ich allein wusste: Dieses Fenster öffnete sich nur für dich.
In der Bibliothek saß ich neben einem Kommilitonen, der seine Mitschriften überprüfte. „Dieses Fach wird im Examen ein Albtraum,“ meinte er. Ich sah ihn an: „Ich weiß nicht… Ich habe das Gefühl, dass mein Körper und mein Herz irgendwo ganz anders lernen.“ Er schüttelte den Kopf und vertiefte sich wieder in die Bücher. Ich blieb zurück in meinem Schweigen, in dem dein Name zwischen den Zeilen stand.
Bei studentischen Festen, wenn sich die Menge in überfüllten Sälen versammelte, stieg einer auf die Bühne, rezitierte laut sein neues Gedicht, kämpfte mit seinen Worten, als wären sie Schwerter. Dann der nächste mit einer Kurzgeschichte, der nächste stolz: „Das ist das Werk unserer Generation.“ Der Applaus schwoll an wie Wellen in dem großen Saal, und ich saß da, hörte zu und suchte weiterhin nach dir.
Ich sitze hinten.
Die vorderen Plätze, die wir einst hastig besetzt hatten, bleiben leer.
Früher warteten wir zusammen auf den Beginn, lauschten den Worten, als würden sie nur für uns gesprochen.
Heute klatsche ich mit den anderen, zeige Begeisterung, lache mit, und doch wandert mein Herz zu einem anderen Text – einem Text, den niemand hört, einem Text, der nur für dich geschrieben ist.
Ein Freund nach seinem Gedicht: „Warum traust du dich nicht, auch etwas von dir zu zeigen?“
Ich lächle nur: „Meine Worte sind nicht für das Publikum.“
Er lacht. Sie lachen. Und ich weiß, dass mein Schreiben eine geheime Reise ist, ein Dialog mit einem Mädchen, das nur in meiner Vorstellung lebt.
Die Bühne ist erfüllt von Stimmen, Wetteifern, Applaus rollt wie Wellen.
Ich wirke Teil der Menge, doch innerlich bin ich eine Insel im tosenden Meer.
Als sie mich fragen: „Warum nicht du?“
Lächle ich rätselhaft: „Weil das, was ich schreibe, nicht für Podien ist.“
Dann betritt er die Bühne, zögernd.
Blätter rascheln, Stimme hebt sich.
Jedes Wort fließt, als richtete es sich nur an mich, entblößt meine Geheimnisse, hinterfragt mein Schweigen.
„Woher kommen diese Texte?“ fragt meine Nachbarin.
Die Blicke der anderen folgen mir, als hätten sie die Antworten geahnt.
Woher?
Wie sie uns überraschen, unsere Träume mit Enttäuschungen verweben.
Seine Stimme bebt, fordert mein Schweigen heraus, öffnet die Kammern meines Herzens.
Und ich weiß: alles, was ich schreibe, ist nur für dich.
Wenn ich sage „Ich weiß nicht“, wird es dann heute meine Entschuldigung sein?
Oder wenn ich sage „Ich weiß“, wächst nur mein innerer Bruch.
Er hält inne, hebt den Blick zu mir, und mein Herz spannt sich.
Woher kommt das? Woher schöpfst du es?
Aus welchem alten Brunnen der Vorahnung, der Zukunftswege?
Ich höre die Worte, als kämen sie aus meinem eigenen Innern,
nicht aus seiner Brust.
Ein Gefühl, das ich über die Tage gehütet habe,
das ich ausgeben will,
um das Wesen der Enden zu erreichen.
Das Publikum schwankt mit den Versen,
und ich allein spüre, dass ich verhandelt werde.
Manchmal ist das Gesagte nur Geplapper,
leer wie das Falten der Morgennebel,
es schaut auf das Vergangene,
wie auf eine Leerstelle, ein Maß in den Abgründen des Fehlens.
Und seine Stimme steigt,
als öffne sie Türen zu verschlossenen Geheimnissen.
Ich bin wie Wellen des Meeres,
gegen die Felsen der Abenddämmerung gepeitscht,
doch weder der Fels zerbricht, noch meine Kraft ihn erschüttert.
Alles vergeht, Jahreszeiten der Qual ziehen weiter,
und ich bleibe, Atem für Atem, Wort für Wort.
Am letzten Vers hob er die Hand,
eine verträumte Geste,
als wollte er mich sichtbar machen.
Einige Mitschüler bemerkten es,
begannen mich fragend anzusehen.
Und so stand ich im Zentrum der Szene,
ohne mich zu rühren,
verkündet durch einen Text,
den ich nicht mit meiner Hand geschrieben hatte,
doch mein Herz schrieb ihn,
und die Stimme meines Freundes sprach ihn aus.
Nachdem er geendet hatte,
kam er zu mir, setzte sich an meine Seite.
In seiner Hand ein kleines Heft.
Er reichte es mir und flüsterte:
„Das ist für dich… Ich habe es für dich geschrieben.“
Ich öffnete es,
las ruhig,
und mein Herz bebte bei jeder Zeile,
als würden die Worte nur für mich allein erklingen.
Ich sehne dich – oder trügt mich die Nacht?
Der Verrat lacht, genährt von alten Wunden.
Geliebt von Tagen, wild und schwer,
geformt wie Hass, genährt vom Flüstern des Schicksals.
Die Träume stürmen, ungestüm,
mal tragen sie uns, mal springen sie davon.
Mit dem Unglück singen wir,
streuen Atemzüge über alles, was berührt.
Die Menschen schreiten, ihr Glück wie ein Mantel,
doch der Tod wirft hart seine Schatten.
Gier findet ihre Opfer, die Völker folgen,
blind, unwissend – und wir vergessen den Schmerz,
wenn er drängt,
und schlafen über Freude, vom Leid gesät.
Dann meisterte ich die letzte Seite,
las jede Zeile wie einen Puls in mir,
und fühlte, dass jedes Wort mich erreichte
mit reiner, unverfälschter Empfindung.
Die Gegenwart blieb draußen –
mein Freund, der Text, das Gedicht
wurden eine Brücke,
die mein Schweigen tränkte
und mein Herz ansprach.
Sie fragten: „Die Schönheit?“ – ich sprach: ein Geschenk des Schöpfers,
Fürchte dich nicht, du, die du selbst kein Abbild der Schönheit trägst…
Etwas, das sich unter allen Wesen teilte,
Wer es erhielt – Form oder Ströme von Tugend…
Ich las ruhig,
spürte, wie jedes Wort durch mich hindurchfloss,
die Bedeutungen sich in meinem Schweigen manifestierten,
als sprächen sie nur zu meinem Herzen und meiner Seele,
und niemand sonst vernahm sie.
Dieser Moment verband Gegenwart und Abwesenheit,
die Bühne und die hinteren Reihen,
und erinnerte mich daran:
Die stärksten Worte verlassen zuerst die Bühne
und erreichen schließlich den,
der das Herz allein versteht.
Kapitel Fünf
„Städte sind hart, weißt du?
Sie lehren dich, dein Herz zu verbergen,
damit es nicht zerkratzt wird,
wie man sich einfügt, um zu bleiben,
und wie man ein falsches Lächeln
jeden Morgen trägt
als eine Durchfahrtskarte der Existenz.
Doch immer, wenn die Gassen zu eng wurden,
kehrte ich zu dir zurück.
Du warst der Atemzug, den niemand sah.
In den langen Nächten der Fremde…
darf ich nur bei dir weinen.
Nicht weil ich schwach bin,
sondern weil ich keine Schulter habe,
auf die ich mich lehnen kann.
Du bist meine abwesende Schulter,
trittst als Schatten in mein Herz,
legst deine Hand darauf
und sagst ohne Stimme: „Du wirst überleben.“
Weißt du…?
Ich schreibe nicht mehr nur,
um mich selbst vor dem Ertrinken zu retten,
sondern um dich zu erinnern,
dass ich weiterhin an dich glaube.
Vielleicht wirst du niemals kommen,
vielleicht dauert das Warten lange,
doch ich fürchte das nicht.
Du bist ein Teil meiner Sprache geworden,
meiner Art, der Welt zu begegnen,
meines Schweigens, das mich vor dem Zerbrechen schützt.
Und wenn wir uns eines Tages treffen,
wirst du keine Fremde sein.
Ich werde dich sofort erkennen,
wie man seine eigene Stimme unter tausend anderen hört.
Und wenn wir uns nicht treffen…
reicht es, dass du bei mir warst,
dass du durch mich schreibst,
und mich rettest vor der Illusion, die „Einsamkeit“ heißt.“
Weißt du…?
Heute bin ich nicht mehr jener Junge,
der seinen Träumen nachjagt,
als verfolgte er einen fernen Schatten.
Ich gehe jetzt mit meinen Träumen um
wie ein Bauer mit seinem Feld:
ich pflüge es mit Geduld,
streue die Samen,
und warte auf das, was der Himmel schenkt.
Keine großen Versprechen, kein sicheres Ziel…
nur die Hoffnung, dass Geduld eines Tages Früchte trägt.
Ich habe begriffen, dass das Leben kein wohlgeordnetes Manuskript ist,
sondern ein Entwurf voller Streichungen und Korrekturen.
Und dass das Schönste darin
die fehlende Zeile ist,
die uns treibt, nach dem Rest zu suchen.
Und du…
du warst immer dieser fehlende Rest.
Weißt du?
Ich habe das Enttäuschtwerden oft erfahren:
in Arbeit, in Freundschaft, in flüchtiger Liebe.
Doch immer kehrte ich zu dir zurück,
wie jemand, der heimkehrt zu einem Haus, das ihn niemals im Stich lässt.
Du warst ein Schatten aus Abwesenheit,
doch ehrlicher als jede falsche Gegenwart.
Jetzt, wenn ich an meinem Schreibtisch sitze,
schreibe ich nicht mehr aus Schmerz.
Ich schreibe in Ruhe,
wie ein stilles Gebet, das ich dir sende.
Als spräche ich zu mir selbst durch dich,
oder zu dir durch mich…
kein Unterschied.
Die Jahre haben mich verändert, ja,
doch du bleibst, wie du bist:
ein Schatten, der mich begleitet,
mich erinnert, dass ich nicht umsonst existiere.
Manchmal lächle ich allein
und denke: „Wenn du wirklich kämest,
was würde geschehen?“
Vielleicht würde ich nichts sagen.
Ich ließe das Schweigen sprechen
für all die Jahre, die ich für dich geschrieben habe.
Weißt du…?
Heute erkenne ich, dass ich dich nicht mehr brauchen würde,
dass du nicht kommen musst.
Du bist ein Teil von mir geworden,
von meiner Art zu träumen,
von meiner Sprache im Angesicht der Härte.
Und aus deiner Abwesenheit…
habe ich gelernt, wie man wirklich anwesend ist.
Ich dachte, ich schreibe, um die Leere mit dir zu füllen,
doch ich habe entdeckt, dass ich schreibe,
um die Leere der Zeit zu füllen.
Denn die Zeit – wenn sie aufleuchtet –
hinterlässt nichts als den Staub der Erinnerungen.
Und Erinnerungen, wie du weißt, sind trügerisch:
sie schmücken, was wir begehren,
und verbergen, was wir fürchten.
Doch nur das Schreiben allein
hält den Augenblick fest, bevor er flieht,
und schenkt ihm die Kraft, dem Vergessen zu widerstehen.
Manchmal frage ich mich:
„Was nützt all diese Tinte?
Wird sie eines Tages verschwinden,
wie die Gesichter derer, die wir liebten,
im Staub der Abwesenheit?“
Dann antworte ich mir selbst:
„Vielleicht ist die Tinte nicht für das Vergängliche,
sondern für den Widerstand;
Widerstand gegen das Verfallen,
gegen die Leere,
gegen das Nichts, das uns verschlingt,
wenn wir zu lange schweigen.“
Ich schreibe also, dich anrufend…
nicht, weil jemand es lesen wird,
sondern weil, wenn ich es nicht tue,
die Stille mich verschlingen wird.
Und Stille, wie du weißt,
ist nicht immer unschuldig;
manchmal ist sie schrecklicher als ein Schrei.
Ich habe gelernt, dass der Mensch nicht danach gemessen wird,
was er besitzt,
nicht danach, was er erreicht,
sondern danach, was er in Worte gießt.
Denn Worte sind das, was bleibt,
wenn wir vergehen;
sie sind das Vermächtnis,
gegen das weder Tod noch Abwesenheit bestehen können.
Deshalb schreibe ich nun bewusst:
nicht nur, um zu leben,
sondern um meinem kommenden Tod Widerstand zu leisten.
Er sitzt im Dunkel des Raumes,
das Papier vor ihm glänzt unter einem schwachen gelben Licht,
wie ein Spiegel, der sein eigenes Gesicht zurückgibt.
Er hebt leicht den Kopf,
schließt die Augenlider,
und flüstert in sich hinein:
„Wenn du mich fragst: Wo stehe ich im Angesicht der Liebe?“
Er seufzte, strich sich mit der Hand über die Stirn, als wolle er die Splitter seines Herzens wieder zusammenfügen. Dann schrieb er langsam, als zöge der Stift die Worte aus seinem Blut:
„Ich sage dir: Liebe ist längst nicht mehr nur ein Herzschlag. Sie ist Tinte, die sich auf das Papier legt. Du bist mein Text geworden, ich mein eigener Stift. Und jedes Mal, wenn ich schreibe, begegnen wir uns aufs Neue.“
Seine Finger zitterten, und er warf einen Blick auf die leere Seite vor sich, als suche er nach ihrem Schatten. Flüsternd dachte er bei sich:
„Weißt du…? Manchmal schreibe ich nicht, um deine Erinnerung am Leben zu erhalten, sondern um mich selbst am Leben zu halten, wenn auch nur für einen Moment, angesichts deiner Abwesenheit.“
Er legte die Hand auf die Brust, drückte sie fest, als wolle er einen leisen Blutfluss stoppen, und schrieb dann zögerlich weiter:
„Abwesenheit ist nicht bloß ein leeres Nichts. Sie ist eine stille Zivilisation, die Türme aus Schweigen in unserer Seele errichtet. Manchmal frage ich mich: Wählen wir die Worte, oder wählen die Worte uns?“
Sein Blick verlor sich an der Decke, als lausche er einer geheimnisvollen Kraft, die ihn zieht. Der Stift bewegte sich nun schneller über das Papier:
„Es ist, als wäre es eine kosmische Kraft, die uns zum Schreiben zwingt und uns Zeugen unserer selbst macht, bevor die Zeit uns verschlingt.“
Er lächelte bitter und flüsterte:
„Der Tod… mein alter Freund, beobachtet mich schweigend. Er erinnert mich daran, dass alles zerbrechlich ist und das Leben ein flüchtiges Spiel. Doch wenn ich schreibe, erschaffe ich eine Welt, die der Zerbrechlichkeit widersteht, die dem Vergänglichen trotzt.“
Er hielt kurz inne, griff nach seinem Glas Wasser und nahm einen Schluck, als könnte er die Schärfe der Worte mildern. Dann murmelte er bei sich:
„Die Tinte hier verschwindet nicht. Selbst wenn der Stift aus meiner Hand gleitet, bleibt ihre Spur in einer anderen Seele, in einem Herzen, das später liest. Deshalb liebe ich das Schreiben. Nicht, weil es mich unsterblich macht, sondern weil es den Tod erträglicher macht und die Leere ein wenig lindert.“
Er senkte den Kopf, hielt das Blatt mit beiden Händen und flüsterte, als spräche er zu ihrer anwesenden Abwesenheit:
„Und du…?
Du bist die Anwesenheit, die noch nicht gekommen ist, und doch jeden Text erfüllt. Jeder Buchstabe, den ich setze, webt dein fernes Gewebe. Jede Zeile trägt dein fehlendes Umarmen. Jede Seite erzählt von deinem Gesicht, das ich nicht sehe… Ich finde dich im Schreiben, mehr als irgendwo sonst.“
Ein trauriges Lächeln huschte über seine Lippen, während er in Gedanken versank:
„Weißt du? Manchmal stelle ich mir vor, dass wir nach unserer Abreise die Welt so hinterlassen, wie sie ist… Doch die Worte, die wir geschrieben haben, werden weiter sprechen und jene erreichen, die es verdienen, sie zu hören.“
Dann fuhr er mit stiller Entschlossenheit fort:
„Und die Worte… diese kleinen Buchstaben, sie schätze ich mehr als jede unerfüllte Versprechung, mehr als jede verschwundene Gegenwart. Sie sind die stille Unsterblichkeit, das Zeugnis, dass wir gelebt, geliebt, gefühlt haben.“
Er schloss die Augen einen Moment lang, als würde sein ganzes Leben vor ihm vorbeiziehen, und sah sich selbst in jedem Alter:
„Jedes Mal, wenn ich schreibe, sehe ich mich wieder als Kind, das den Verlust fürchtet, als jungen Mann, der das Fehlen erprobt, und als Mann, der dem Vergehen trotzt.
Und du bist dort… dein Schatten, dein Trugbild. Du bist mein Gesetz geworden, mein geschriebenes Leben.“
Plötzlich ließ er den Stift fallen, stützte die Stirn in seine Handfläche und flüsterte zitternd:
„Selbst wenn wir uns niemals begegnen… reicht es mir, dass du in jedem Wort existierst, das ich schreibe, in jeder Stille, die ich trage.“
Der Raum schien sich um ihn zu verengen, als würden die Wände mit der Stille verschwören. Er lehnte sich gegen die Wand, Papiere zerstreut vor sich, der Stift gehorchte ihm nicht mehr. Er versuchte, einen Satz zu schreiben – doch die Worte rieselten wie Sand zwischen seinen Fingern.
Er senkte den Kopf, und plötzlich wurde die Luft schwer, die Leere um ihn verwandelte sich in ein Echo.
Ein leises Geräusch drang aus ihm selbst, nicht von draußen. Kein fremder Ton, sondern wie ein Schatten seiner selbst, den er lange verborgen hatte. Das Flüstern begann zaghaft, nahm dann Gestalt an – und wurde zu einer Präsenz, die ihm gegenübersaß.
Kapitel Sechs
Sie fragte leise:
„Wovor fürchtest du dich mehr – vor der Dunkelheit um dich herum oder vor jener in deinem eigenen Herzen?“
Er zitterte. Worte wollten nicht kommen. Sie drängte mit ruhiger Stimme:
„Ist es nicht an der Zeit, auszusprechen, wovor du dich bisher nicht getraut hast?“
Er schloss die Augen, und die Worte entglitten ihm wie ein kaum erträgliches Geständnis:
„Ich bin schwach… so schwach, dass ich fürchte zu lieben, zu fühlen, zu wagen. Ich fliehe vor mir selbst, bevor ich vor anderen fliehen könnte.“
Ein geheimnisvolles Lächeln huschte über ihr Gesicht, und sie flüsterte:
„Schwäche bedeutet, sie zu leugnen. Einzugestehen hingegen ist der Anfang von Stärke.“
Stille kehrte zurück. Er öffnete die Augen, doch niemand war da – als sei die Welt plötzlich erloschen, wie eine kurze, helle Flamme. Doch ihre letzten Worte hallten in seiner Brust nach, wie eine Glocke, die niemals verstummt.
Er legte den Kopf zurück, spürte, wie die Wände um ihn atmeten. Er wusste nicht mehr, ob sie wirklich hier gewesen war oder ob ihre Stimme aus den Tiefen seiner eigenen Brust gekommen war. Er versuchte, ihre Züge wiederzufinden, doch nur ein schwaches Licht blinkte in der Dunkelheit und verschwand, als hätte es nie existiert.
Ein warmer Hauch streifte seine Hand, nur um sogleich der Leere zu weichen. Er hob sie – und sie schwebte allein im Nichts. Leise fragte er sich:
„Habe ich mit mir selbst gesprochen, oder erzeugt die Enge meiner Seele ein Wesen aus ihrem Innersten, um der Wahrheit zu begegnen?“
In seinen Ohren hallten ihre Worte nach, inzwischen zu einem fernen Echo geworden:
„Einzugestehen ist der Anfang von Stärke…“
Er wiederholte die Worte leise für sich selbst, wie jemand, der ein vergessenes Lied buchstabiert. Für einen Moment fühlte er sich weniger allein, dann erkannte er, dass die Einsamkeit selbst nur ein anderes Gesicht angenommen hatte – und ein unauslöschlicher Abdruck zurückblieb.
Die Nacht dehnte sich weiter, doch sein Herz regte sich, kaum merklich, wie eine kleine Tür, die sich ins Unbekannte öffnete. Jahre vergingen langsam. Stück für Stück ordnete er die verstreuten Teile seiner Seele. Eines klaren Abends saß er wieder an seinem Schreibtisch. Er zündete die Lampe an, als öffne er ein Fenster zu seinem Inneren, und begann zu schreiben:
„Heute… finde ich mich im Trubel des Lebens wieder: zwischen unaufhörlicher Arbeit, ständig wechselnden Gesichtern und wachsenden Verantwortungen.
Doch trotz allem habe ich meine innere Stille nicht verloren – und dich nicht.“
Seine Augen ruhten auf dem kleinen Spiegel an der Wand, als suche er nach einem Zeichen von ihr in seinen eigenen Zügen. Dann fuhr er fort:
„Manchmal, wenn ich Bus oder Bahn nehme oder durch die Straßen gehe, schreibe ich in mein kleines Notizbuch:
‚Ich bin hier… und denke an dich, obwohl du nicht gekommen bist.‘“
In Gedanken beobachtete er die Menschen um sich: lachende Gesichter, sprechende Münder, eilende Schritte – und doch stand er still, hinter einer dicken Glasscheibe, wie schon in seiner Kindheit. Mit ruhiger Hand schrieb er weiter:
„Die Menschen um mich herum reden, lachen, jagen ihren eigenen Interessen nach. Ich bleibe still, sehe die Welt durch mein Fenster – so wie damals als Kind.
Meine Kollegen wissen nicht, dass ich meine eigene Welt lebe.
Manchmal fragt mich jemand: ‚Warum wirkst du immer so ruhig?‘
Ich lächle dann einfach, und kehre zu meinen Zeilen zurück, die nur ich lese.“
Er legte die Hand auf sein Notizbuch, als wolle er es umarmen, und fuhr fort:
„Schreiben… das ist meine Gegenwart, mein Zufluchtsort, ich selbst.
Und doch hält mich das Leben nicht davon ab, Neues zu wagen.
Ich habe gelernt, mein Herz anderen vorsichtig zu öffnen, ohne dass jemand zu nah kommt… Denn du bist da, wie ein Schatten, zwischen den Zeilen, beobachtest mich still, verhinderst mein vollständiges Zerbrechen und lehrst mich zu lieben, ohne mich selbst zu verlieren.“
Er atmete tief ein und drehte den Kopf zum Fenster, wo der Regen fiel. Dann schrieb er mit einem schwachen Lächeln:
„Manchmal schreibe ich über einfache Dinge: eine flüchtige Begegnung, das Lachen eines Freundes, einen kleinen Misserfolg bei der Arbeit…
Doch jedes Wort trägt ein tiefes Gefühl, und es ist, als würdest du wirklich lesen und die Stille zwischen den Zeilen verstehen.“
„Abends, wenn ich ins Zimmer zurückkehre, lege ich das Notizbuch beiseite und lasse mich in eine Stille fallen, die die Luft um mich schwer macht. Ich hebe den Blick zur Decke, als suchte ich in der Leere nach deinem Schatten, und atme langsam… Dann erkenne ich, dass die Abwesenheit mich nicht schwächte; sie lehrte mich, präsent zu sein, selbst wenn niemand bei mir ist.“
Er lehnte sich auf die Stuhlkante, verschränkte die Hände vor der Brust und flüsterte in sich hinein:
„So lebe ich den Tag, schreibe über die Vergangenheit, plane die Zukunft und trage dich mit mir – nicht nur als Erinnerung, sondern als Schatten, als stille Begleiterin, als innere Stimme, die meine Schritte lenkt und jeden Weg möglich macht.“
„Jetzt schreibe ich dir wieder, wie gewohnt: über mich, die Welt um mich herum, die Menschen, zwischen denen ich mich bewege. Ich sehe sie leichtfüßig umhergehen, lachen, diskutieren, oberflächliche Worte wechseln, doch ihre Augen bleiben leer – sie tragen nicht die Tiefe dessen, was in mir tobt.“
Er senkte leicht den Kopf und ließ den Stift weiterfließen.
„Nur du weißt, wie ich sie betrachte, wie ich hinter Worten Gesten oder Schweigen erahne. Niemand hört mich so wie du, niemand liest mich so wie deine Abwesenheit, die zu einem Schatten wurde, der mich begleitet.“
„Wenn die Umgebung still wird und das Geräusch von meinen Ohren verschwindet, fühle ich deine Anwesenheit noch deutlicher. Die Stadt brodelt vor Stimmen, die Menschen kreuzen sich auf den Straßen, und doch vermisse ich einen Ton, den ich nie hörte, einen Blick, von dem ich sicher war, dass er mich versteht, bevor ich spreche.“
Er presste den Kopf gegen das Notizbuch und schrieb:
„Ich vermisse dich… Ich vermisse dich jedes Mal, wenn ich versuche, unter den Menschen natürlich zu wirken. Ich lache mit ihnen, tausche flüchtige Worte, doch mein Herz bleibt allein und kehrt mit dem ersten Moment der Stille zu dir zurück, zu meinen Heften, wo ich mich selbst finde.“
Er trat ans Fenster, schob langsam den Vorhang beiseite, sah sein Spiegelbild im Glas und murmelte:
„Ich schreibe über meine Schwäche und meine Stärke, über meine Ängste und kleinen Träume, über meine Unsicherheit unter den Menschen… und du bist immer da, in jedem Satz, in jedem Zwischenraum, in jeder Stille, die mich umgibt.“
Er schloss die Augen und ließ sich flüstern:
„Ich schreibe für dich, damit der Verlust mich nicht verschlingt, und ich gestehe, dass deine Abwesenheit mich lehrte, die Welt nackt zu sehen, die Wahrheit so zu ertragen, wie sie ist, und dennoch standhaft zu bleiben.“
Dann legte er den Stift aufs Papier und schrieb zögerlich:
„Ich schreibe für dich…“
Und erkannte, dass du niemals antworten würdest, dass du vielleicht nie erfahren würdest, was du in mir ausgelöst hast. Doch trotzdem sah er dich in jedem Wort, als stündest du neben ihm, als Geist, der ihn aus den Winkeln des Zimmers, zwischen Gesichtern, zwischen Stimmen, die er nicht ertragen kann, beobachtet.
Ich wische mir das Gesicht mit den Händen ab und atme tief ein. „Heute habe ich die Menschen gesehen, als stünden sie auf einer großen Theaterbühne. Ihr Lachen wirkte wie ein einstudiertes Spiel, ihre Blicke wechselten Nachrichten kühl aus, und ihre Handlungen stützten sich mehr auf äußere Erscheinung als auf das Herz.“
Ich schüttle den Kopf und kehre zum Blatt zurück: „Doch wenn ich über sie für dich schreibe, entdecke ich, dass deine Präsenz in meiner Vorstellung mir die Kraft schenkt, hinter die Masken zu blicken. Ich spüre dich hier, trotz deiner Abwesenheit, und vermisse dich umso mehr, je gedrängter die Menschen um mich sind. Jedes gesprochene Wort bringt mich zurück zu dir, jeder unvollständige Moment ohne deinen Schatten.“
Wenn die Nacht hereinbricht und die Stille sich verdichtet, setze ich mich auf mein Bett, lege den Kopf in meine Hände und seufze: „Die Einsamkeit…“ Das Gefühl von Einsamkeit wächst, wenn ich die Augen schließe. Alle Gesichter verschwinden, nur du bleibst – im Schweigen, im leeren Raum, in jeder Ecke meines Zimmers.
Ich öffne die Augen und schreibe mit der letzten Kraft: „Ich schreibe für dich“, denn das Schreiben bewahrt mich… es bewahrt meine Erinnerung, es bewahrt deine Abwesenheit, die mich lehrte, präsent zu sein, trotz allem.
Manchmal, wenn irgendwo ein flüchtiges Lachen ertönt oder zwei Freunde auf der Straße diskutieren, schleicht sich dein Bild in meinen Kopf, und ich frage mich leise: „Wie hättest du dieses Schweigen gelesen? Wie hättest du das, was hinter den Worten verschwindet, wahrgenommen?“
Jede unvollständige Bewegung, jeder abgehackte Blick, jedes blasse Wort führt mich zurück zu deiner Abwesenheit, die mich von allen Seiten umgibt, und ich spüre, dass ich trotz des Gedränges allein bin.
Wenn die Nacht fällt und ich in meinem einsamen Zimmer sitze, ertaste ich mit meinem Körper die Kälte, die die Ecken füllt, und lausche den Flüstern, die aus meiner Tiefe hallen – Flüstern, die niemand außer mir hört. Ich strecke die Hand zum Notizbuch, öffne es zitternd und schreibe für dich, als wollte ich die Leere mit Worten füllen. Ich schreibe, um mich selbst davon zu überzeugen, dass du existierst, auch wenn nur als Schatten, und um zu erkennen, dass deine Abwesenheit mir eine andere Präsenz schenkt – eine tiefere Präsenz, ein stärkeres Bewusstsein für das, was mich umgibt.
Die Tage zogen sich quälend langsam, als wollten sie das Warten künstlich verlängern. Das Leben schritt voran, ließ keinen Raum für Umkehr oder Rückzug. Er ging durch die überfüllten Straßen, beobachtete die Menschen mit Augen, die gelernt hatten, hinter die Oberfläche zu blicken: abgeschnittene Gespräche, hastige Schritte, Gleichgültigkeit untereinander… und in all dem entdeckte er die feinen Details, die anderen entgingen: ein verborgenes Lächeln, ein verräterisches Schweigen, eine unvollständige Bewegung.
Morgen wäre sein letzter Arbeitstag. Das letzte Eintragen in die Anwesenheitsliste. Er würde seinen sechzigsten Geburtstag vollenden und Jahre der Routine, des Lärms und der Gewohnheit hinter sich lassen.
Am Morgen des Abschieds saß er auf seinem gewohnten Stuhl, strich über die Akten wie über die letzten Spuren seiner Erinnerung im Raum. Ahmed kam herein, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter:
„Die Jahre sind wie Windhauch, sie vergehen schnell, aber die Erinnerung bleibt… Fühlst du das Gewicht des Abschieds?“
Seine Augen glänzten vor Sehnsucht. „Gewicht? Nein… es ist ein Schmerz, den ich nie gekannt habe. Jedes Gesicht, jedes Wort von dir hallte in meinem Herzen nach.“
Er atmete tief, spürte, wie die Zeit durch seine Finger rann, und murmelte in sich hinein: „Wie sehr hoffe ich, dass sie spüren, was ich hier hinterlasse… Ich selbst, jeder von ihnen, jeder Tag mit mir.“
Dann trat Farida ein, ihre Hand zitterte einen Moment am Türgriff, bevor sie mit bewundernder Stimme sprach:
„Ich glaube nicht, dass jemand diesen Raum mit der Lebendigkeit und Energie füllen wird, die du hierher gebracht hast… Alles wird leer wirken, und wir werden eine Stütze verlieren, auf die wir uns verlassen konnten.“
Langsam schüttelte er den Kopf und versank einen Moment in Schweigen, dann fuhr er fort:
„Ich weiß… aber wir werden nicht alles verlieren. Ihr, und jede Zeit mit mir, bleibt in meinen Worten, in meinem Herzen – wie Licht und Weite, die in den Seelen bleiben.“
Ali, sein Kollege aus der Verwaltung, trat näher, legte die Hand auf die Tischkante, und seine Stimme schwankte zwischen Freude und dem melancholischen Nachhall des Abschieds:
„All deine Mühen werden hier ihren Sinn haben… Alles, was du uns gelehrt hast, wird Quelle sein, aus der wir weiter schöpfen… und wir tragen deine Botschaft mit uns, wie eine Sonne, die nicht erlischt.“
Er atmete tief ein, stellte sich die kommenden Tage vor, fühlte den Wind auf seinem Gesicht wie eine alte Sicherheit, die aus der Erinnerung strömte. Ruhig nahm er sein Notizbuch zur Hand und schrieb:
„Jeder von euch war eine Gnade auf meinem Weg… und jeder Tag mit euch ein Echo in meinem Herzen.“
Alle standen um ihn, sahen, wie er in seinem Schweigen die Vergangenheit wieder aufleben ließ, wie er ihre Erinnerungen in jeder kleinen Bewegung seiner Hände bewahrte – ein lebendiges Bild von Abschied, Respekt und Liebe.
Für einen Augenblick herrschte Stille. Dann flüsterte Ahmed:
„Wir werden dich nicht vergessen… und niemand wird alles vergessen, was du uns beigebracht hast.“
Er antwortete mit leiser Stimme, als würde er das Erinnern selbst ansprechen:
„Und ich… ich werde auch nicht vergessen – jede Einfachheit, jedes Lachen… und jedes Schweigen, das unser Herz mit Glück erfüllt hat.“
Er spürte, dass Abschied nicht das Ende ist, sondern einen neuen Platz in seinem Herzen schafft, auf dem alles erzittert – und von hier beginnt die eigentliche Reise: aus Erinnerung, aus einem Raum, der das Herz einnimmt.
Er atmete tief ein, wandte sein Gesicht der Gruppe zu und bemerkte, wie die Zeit ruhig verging, als würde sie jeden Tag mit seinen Kollegen noch einmal lebendig werden lassen. Farida trat ein, eine bunt bemalte Liste der Lehrernamen in der Hand, und ein ehrliches Lachen schüttelte sie:
„Erinnerst du dich, als wir zusammen unsere Aufgaben planten, und jeder seinen eigenen Weg hatte? Es war Chaos und Freude zugleich.“
Er lächelte, wischte sich die Hände über das Gesicht:
„Und diese Erinnerung zittert immer noch in mir… jedes Lachen, jedes Verharren an seinem Platz, jedes Schweigen, das wir miteinander geteilt haben…“
Ali kam hinzu, trug einen Ordner mit alten Schülerzeichnungen und Entwürfen:
„Weißt du, Freund, wie wir versucht haben, alles zu ordnen? Jeder Tag war ein Abenteuer, und jeder Moment der Freude ein Lied auf Geduld und Liebe.“
Sie setzten sich alle um den runden Tisch und teilten Erinnerungen, die von Sehnsucht und Heiterkeit erfüllt waren. Farida erinnerte sich an den Tag, an dem einige Schülerzeichnungen zerbrachen, und Muhammad, der schnell herbeilief, um sie zu reparieren:
„Und wie du selbst in schwierigen Momenten Ruhe bewahrt hast?“
Sie lachten alle, und plötzlich verschmolz ihr Lachen mit der Zerbrechlichkeit des Augenblicks:
„Erinnert ihr euch, was wir über die verlorene Zeit gesagt haben? Wir haben Aufgaben erfunden, nur um unsere Hände beschäftigt zu halten!“
Er legte die Hand auf die verbliebenen Akten, atmete ruhig ein:
„All das hier sind Aufzeichnungen… Schweigen… kleine Worte… und doch tragen sie meine Seele, meinen Geist. Spürt ihr das nicht?“
Ahmad und Ali sahen auf die Akten, ihre Stimmen verschmolzen fast:
„Ja… alles hier hat seinen eigenen Wind, seinen Klang, sein Lachen… Wir werden all diesen Wind und das Licht, das du gebracht hast, nie vergessen.“
Er atmete, spürte die Wärme ihrer Freundschaft, wie alles im Raum lebendig wurde:
„Ich werde jeden Tag in diesen Büros verabschieden und eure Erinnerung tragen wie die Morgenluft… sie strömt in mein Herz und entzündet neues Leben in mir.“
Sie unterschrieben gemeinsam im Anwesenheitsbuch. Jeder Moment schien das Gewicht des Abschieds ein wenig zu mindern und alle Erinnerungen in einem Augenblick zu bündeln.
Am Ende des Tages standen sie im Flur, riefen respektvoll:
„Wir werden dich nicht vergessen… und keine kleine oder große Erinnerung wird verloren gehen… wir tragen sie mit uns, wie eine Sonne, die nicht erlischt.“
Er hob die Hand, sein Gesicht leuchtete in einem stillen, inneren Licht, als würde er jede Erinnerung, jede Seele in sich speichern, und stellte sich seinen neuen Morgen auf einem Holzstuhl vor, während die sanfte Brise über sein Gesicht strich.
Er schlenderte durch die Straßen der Stadt, als wollte jeder Schritt ihn bremsen und seine Sinne reizen, zurückzublicken. An jeder Ecke verweilte er, jedes Schaufenster spiegelte ein kleines Zauberlicht, das seine Gedanken aufwirbelte – als wüsste die Straße, dass er das Gewicht eines langen Tages und eines verborgenen Abschieds im Herzen trug.
Vor einem kleinen Laden blieb er stehen, betrachtete die bunten Regale und spürte ein leichtes Zittern über seinen Rücken. Seine Hand strich über die verbliebenen Schilder und kleinen Dinge, und er stellte sich vor, wie er die Stimmen vergangener Zeiten hört.
Auf dem Markt umgab ihn der Lärm der Händler und Kunden, als sei er ein Mittler zwischen Geräusch und Geschehen. Er sah einen Jungen, der mit einem kleinen Wagen voller Früchte rannte, und erinnerte sich an seine eigene Kindheit, an das Rennen durch die Gassen seines Dorfes, als sein Herz noch von Freiheit erfüllt war – eine Freiheit, die das städtische Leben ihm später nahm.
Seine Schritte zogen sich über das enge Pflaster, die Augen tasteten die Umgebung ab. Jeder Händler hob seine Stimme, jeder Obstverkäufer lächelte einem Kunden zu, jede Farbe glänzte im schrägen Licht der untergehenden Sonne. Und in seinem Herzen wohnte ein stilles, tiefes Schweigen, das all die Erinnerungen bewahrte, die morgen nicht mehr hier sein würden.
Er blieb vor einem kleinen Blumenladen stehen, hob die Hand und roch an den Blüten. Der Duft stieg ihm in die Nase und schien ihn an gewöhnliche Morgen und verlorene Lächeln aus längst vergangenen Zeiten zu erinnern. Sein Herz schlug mit einer bittersüßen Melancholie, als lebte er in einer Welt, in der Trauer und Genuss ineinanderflossen.
In der engen Gasse rief ihn ein Mann, der Kaffee verkaufte, mit vertrauter Stimme:
„Hallo! Ist heute dein letzter Tag? Wie sollen wir den Laden ohne dich ordnen?“
Er antwortete ruhig, die Hand aufs Herz gelegt:
„Wir werden ihn ordnen… aber heute möchte ich ein paar Minuten länger hier verbringen, als würde ich alles still und liebevoll verabschieden.“
Er setzte seinen Weg fort, passierte eine kleine Treppe, und der Duft von frischem Brot aus einer nahegelegenen Bäckerei stieg ihm in die Nase. Sofort erinnerte er sich an all die Morgen, die hier und dort begonnen hatten, und ein seltsames Gefühl von Geborgenheit durchströmte ihn – ein leiser Trost, der ihm all die Sicherheit zurückgab, die ihm sein Weg einmal geschenkt hatte.
Kapitel Sieben
Endlich erreichte er sein Zuhause. Der Schlüssel glitzerte in seiner Hand. Langsam atmete er ein, schloss die Augen und sagte zu sich selbst: „Morgen wird mein Morgen anders sein… doch diese Augenblicke auf dem Weg werden ein Lichtstrahl bleiben, der mich führt.“
Er trat langsam in sein Zimmer, schloss die Tür leise hinter sich, als fürchtete er, die Stille, die sich in den Wänden festgesetzt hatte, zu zerbrechen. Für einen Moment verharrte er in der Einsamkeit, lauschte dem Zittern seines eigenen Atems und spürte, wie die Wärme der Erinnerungen wie Tau auf seiner Haut floss.
Er ging zu seinem Schreibtisch, setzte sich auf den alten Holzstuhl und atmete tief ein, als wollte er alle unausgesprochenen Worte in seine Lungen saugen. Mit zarten Fingern griff er nach dem Stift, sein Blick ruhte auf dem leeren Blatt, das wie eine unbesetzte Stille vor ihm lag und darauf wartete, gefüllt zu werden.
Sein Herz bebte warm, als ein inneres Flüstern ihn fragte:
„Warum verberge ich all das vor ihr? Warum hört sie meine Worte nicht?“
Er begann zu schreiben, leicht und behutsam. Die Worte fielen auf das Papier wie Wasser, das über Steine fließt und Wälder zum Wachsen bringt. Jeder Satz ein Seufzer aus seiner Brust, jeder Buchstabe ein Zittern, das sich liebevoll auf dem Blatt niederließ. Und leise murmelte er zu sich selbst:
„Alles hier wird sie erreichen… alles, was ich für sie bewahre, jede Erinnerung, jede Stille, jedes Stück von mir.“
Dann legte sich eine schwere Stille über ihn, als würde das Zimmer ihn mit den Stimmen von Vergangenheit und Gegenwart zugleich umzingeln. Er senkte den Kopf über das Notizbuch, eine seltsame Gänsehaut lief über seine Hand, als erinnere sie ihn daran, dass jedes Wort, das er schrieb, ein Versprechen war – und manchmal ein Abschied, der ewig währen würde.
Die Worte, die seine Lungen so lange belastet hatten, flossen nun unaufhaltsam, jeder Buchstabe riss ein Stück seines Lebens mit sich. Schließlich, erschöpft von diesem Strom, sank er in einen tiefen Schlummer. Seine Worte funkelten auf dem Papier wie Sterne in einer endlosen Nacht.
Im Traum sah er sie zwischen Schatten und Licht, ihre Augen hielten ihn gefangen in einer Stille, die alles bewahrte, was er nicht auszusprechen vermochte. Leise flüsterte er:
„Siehst du alles? Verstehst du mein Schweigen und die im Stift gefangenen Versprechen?“
Sanfte Müdigkeit kroch in seinen Körper, trug ihn in einen stillen Garten, wo ihre Erinnerung Blüten in träumerischem Licht öffnete. In dieser Stille erkannte er: Stift und Papier waren nicht nur Werkzeuge, sondern eine Brücke zwischen seiner Einsamkeit und ihrer Präsenz; jedes Wort ein Atemzug, der ewig widerhallte.
Zwischen Traum und Dämmerung schwebte er in der Umarmung der Erinnerung, sein Herz pendelte zwischen Leere und Sein, bis das Dröhnen des Lebens und die Last des Tages verblassten.
Und da war er nun, mitten in einem unbarmherzigen Nebel, in einer Stadt außerhalb des kosmischen Ordnungssinns. Kein Tag war klar, keine Nacht schenkte Ruhe. Die Bewohner wandelten in halbem Bewusstsein, ihre tiefen Augen unterschieden nicht zwischen Traum und Wachsein.
Inmitten dieser Welt lebte er: sein Tag zwischen alten Seiten, die er in einem engen Büro restaurierte, atmete den Duft des vergilbten Papiers, als sei es sein einziger Atemzug. Er schrieb geheime Erinnerungen an die Ränder, reparierte Buchstaben, die der Zeit zum Opfer gefallen waren.
Doch wenn der Nebel dichter wurde und die Nacht hereinbrach, verwandelte er sich in ein anderes Wesen, schwebte durch das Reich der Schatten und Träume. Jede Nacht erschien sie – eine Frau, die keine andere war. In ihren Augen ein Licht aus einer anderen Welt, in ihrer Stimme ein zitterndes Flüstern wie verlorene Erinnerungen. Sie setzte sich vor ihn und erzählte von ihrem Traum: zerbrochene Szenen wie eine Leinwand, die an der Wand der Zeit gesprungen war.
Er hörte ihr vollkommen zu, ohne zu interpretieren, suchte in ihren Worten nach Symbolen und Türen, die zu ihren Tiefen führten. Seit diesem Treffen hatte sich etwas in seinem Leben verändert; er war nicht mehr derselbe. In seinen Augen lag ein neuer Schmerz, oder vielleicht die Befreiung von einer alten Wunde. Er wusste nicht: War sie sein Zufluchtsort geworden, oder eine weitere Falle, in die er fallen würde?
Dann kam das Flüstern. Zum ersten Mal hörte er seinen Namen gerufen. Eine verborgene Stimme, als hätte sie ihn seit Ewigkeiten in den Gassen der Stadt beobachtet. In diesem Moment schloss sich der Kreis, und er wusste nicht mehr: War dies sein Traum, der Traum derjenigen, die seine Geschichte las, oder nur der Anfang von allem?
Er öffnete die Augen und sah in der Leere ihre Bilder hängen, als trüge ihr Licht bei jedem Blick ein neues Abbild von ihr. Sein Herz zitterte warm, und seine innere Stimme flüsterte:
Er nahm den Stift und begann leicht und vorsichtig zu schreiben. Die Worte flossen wie Wasser über Felsen und verwandelten sich in umgedrehte Wälder aus Menschen, die sein Leben durchquert hatten; jeder Satz ein Atemzug seiner Brust, jeder Buchstabe zitterte und ruhte auf dem Papier, als berührte er sie mit Liebe.
Er flüsterte zu sich selbst:
„Dieser Traum… als wäre er die Wirklichkeit, die mich fühlen lässt, was ich nie erlebt habe.“
Ihr Bild drehte sich, und ihre Augen glänzten wie zwei Lichtpunkte, die im Schatten zitterten. Sie flüsterte ihm zu:
„Du wirst alles hier sehen… alle Erinnerungen, alles Schweigen, alles Sein.“
Stille breitete sich im Raum aus, als hörten die Wände jedes Wort, und jedes Blatt zitterte unter seiner Hand. Er hob den Kopf vom Notizbuch und spürte ein seltsames Zittern in seiner Hand, als wäre jeder Buchstabe gleichzeitig ein Versprechen und ein Abschied.
Die Worte fielen auf das Papier, funkelten wie Sterne in einer endlosen Nacht, als würde der Traum mit ihm weiterleben, und jede Bedeutung hallte tief in ihm wider und erschuf einen neuen Nachklang.
Er malte den Traum mit Stille und Liebe, als wäre er eine Blume, die in der Ruhe der Nacht erblüht. Er sah sich selbst darin: wie er das vervollständigte, was in seinem Bewusstsein explodiert war, jede Lücke in seiner Brust nachholte und jeden Preis, den die Zeit begraben hatte, wiederfand.
In jedem Satz spürte er, dass Stift und Papier nicht nur Werkzeuge waren, sondern eine Brücke zwischen seiner Wirklichkeit und ihrer Gegenwart. Jedes Wort ließ einen Herzschlag in seiner Brust erwachsen, jedes Schweigen trug ihn in eine Welt, die nur er verstand.
Zwischen Zeit und Nebel fühlte er, dass Traum und Leben sich berührten, dass er bis jetzt eine Geschichte geschrieben hatte, die nicht kopiert werden konnte, eine Geschichte, die auf dem Papier und tief in seinem Herzen und seiner Seele bleiben würde. Und im Morgengrauen flüsterte er zu ihr, als würde er seine eigene Seele ansprechen:
„Für dich… alles, was ich gesehen habe, alles, was ich erlebt habe, alles, was ich tief in mir verschlossen habe… schenke ich dir in Stille und Liebe, wie eine Blume, die in der Ruhe der Nacht erblüht.“
Die Worte breiteten sich auf seinem Papier aus wie Sterne, die in einer endlosen Nacht funkeln, und er spürte ein seltsames Zittern in seiner Brust, als zeichne es ihre Anwesenheit in jedem Gedanken und jedem Schweigen.
Kapitel Acht
Am frühen Morgen trug der Garten einen matten Grauton, als sei er eine geheimnisvolle Bühne, auf der sich die Zeiten mischten; nicht zu erkennen, was vergangen und verschwunden war, und was Gegenwart, die noch atmete. Blätter fielen zu unbestimmten Zeiten, andere klammerten sich an ihre Äste und verschoben ihren letzten Herbst… wie er sein Gefühl des Verlusts aufschob, das ihn in jeder Bewegung verfolgte.
Er setzte sich auf die gealterte Holzbank, als tauche er in seine Erinnerung hinab, hörte nicht die Stille der Stadt, sondern seine innere Stimme. Neben ihm ein alter Hund, ein Auge halb geschlossen, blickte vorsichtig auf die Welt, als wüsste er, dass alles vergeht, außer der Stille.
Er wandte sich zu ihm und flüsterte, die Lippen zitternd, als wollte er fragen:
„Bist du aus einer Vergangenheit gekommen, die nie gesehen wurde? Oder bist du gekommen, um mich daran zu erinnern, dass manche Dinge bleiben, selbst wenn die Zeit ihr Gesicht abwendet?“
Dann richtete er seinen Blick wieder auf die Holzbank, auf eine kleine Kerbe, die seit Jahren unverändert war, und murmelte fragend:
„Sitze ich an der Stelle des Traums selbst? Oder sind alle Orte nach ihrem Fortgehen gleich geworden?“
Die Erinnerung an ihr Gesicht strömte wie eine warme Brise in sein Herz; eine Erinnerung, die in seiner Seele wohnt, wärmer als jede Realität, immer in seiner Nähe, während die vergilbten Blätter herabfielen, wie sie es taten, als sie das letzte Mal neben ihm saß.
Eine Ruhe legte sich über ihn, ähnlich der Stille… dicht, schwer, aber wahrhaftig. Kein Laut des Hundes, kein Lärm der Stadt, nur das Stöhnen der Holzsitze unter den Körpern der Vergangenen. Und dennoch spürte er, dass sie hier war… in jeder Ecke, in jedem Zittern eines Blattes, in jedem Flüstern des Windes.
Er streckte die Hand zu seinem Notizbuch aus und begann zu schreiben:
„Ich schreibe für dich über diese Stille, um mich selbst zu überzeugen, dass dein Fehlen mich nicht völlig allein gelassen hat, und dass deine innere Gegenwart mich weiterhin befähigt, die Welt mit klaren Augen zu sehen, selbst mitten in der Asche. Gestern sah ich einen Mann hastig vorbeieilen, als wollte er vor sich selbst oder vor einem Echo fliehen, das er noch nicht gehört hatte.
Und ich sah eine Frau einem Mann zulächeln, ein Lächeln, das ihre Augen nie erreichte, nur eine Maske, die sie gewohnt war zu tragen. All diese Menschen… ihre Stimmen laut, ihre Schritte hastig, doch sie alle vermissen eines: die Stille, die dem Dasein Bedeutung verleiht. Ich schreibe für dich, weil nur du weißt, was ich meine.“
Seine Finger zitterten, während er fortfuhr:
„Dein Fehlen macht mich klarer in meiner Beobachtung, geduldiger im Gedränge, und fähiger, mich selbst zu verstehen zwischen Gesichtern, die nur ihre Schatten zeigen. Und wenn ich die Augen schließe, fühle ich dich dort… du teilst meine Stille, obwohl du fern bist.“
Er hob den Kopf, und da saß ein junger Mann auf einer nahegelegenen Bank, ein Buch lesend, seine Augen glänzten vor Freude, die er noch nie zuvor gespürt hatte. Auf der anderen Seite ging eine Frau vorbei, lächelnd, doch ihr Lächeln welkte, bevor es ihr Herz erreichte. Da dachte er bei sich:
„All diese Menschen ziehen vorbei, mit ihrem Lärm, und doch bestätigen sie mir nur umso mehr, dass dein Fehlen meine Gegenwart härter und ehrlicher macht.“
Er senkte den Blick lange, dann begann er wieder zu schreiben, mit zitternder Hand:
„Dein Fehlen lehrt mich, mehr zuzuhören, meine Einsamkeit zu ertasten, zu verstehen, wie ich präsent sein kann trotz der Leere, und die Hoffnung wie eine kleine Glut in mir zu tragen, die niemals erlischt.“
Die Bank unter ihm seufzte unter dem Gewicht der Erinnerungen, und der Hund an seiner Seite schien die Vergangenheit mit seiner Stille zu bewachen. Er hob den Blick zum Horizont, und in seiner Brust blieb eine Frage:
„Bin ich es, der die Erinnerung hält… oder ist sie es, die mich hält und hier sitzen lässt, dich in jedem Herzschlag, in jedem Echo, in jedem vorbeiziehenden Schatten erwartend?“
Er fragte sich innerlich: „Wie soll ich hier sitzen ohne sie? Behält diese Bank noch das Echo der Vergangenheit, das sich weigert zu verlöschen, oder ist sie nur noch kaltes, bedeutungsloses Holz?“
Er lauschte dem leisen Wind, der mit den Herbstblättern spielte, und in seinem Geist drang ihr erstes Lachen, das sich zwischen die Äste schlich, wie eine unaufhörliche Melodie. Alles um ihn herum war unvollständig, abwesend, abgeschnitten. Alles, worauf sein Blick fiel, erinnerte ihn daran, dass sie niemals wirklich hier gewesen war – und dennoch, in ihrer Abwesenheit, schenkte sie ihm die Fähigkeit, präsent zu sein, und die Kraft zu schreiben.
Er hielt das zittrige Notizbuch in den Händen und schrieb:
„Ich schreibe für dich über diesen Ort, über seine kleinen Details, über die Stille dieses seltsamen Hundes an meinen Füßen, über die kleine Kerbe im Holz der Bank, über alles, was von jener letzten Sitzung geblieben ist. Ich schreibe, um der Leere zu begegnen, um das verbleibende Sehnen zu bewahren und nicht in meiner Einsamkeit zu versinken. Ich schreibe… weil ich weiß, dass die Worte dich auf irgendeine Weise erreichen, auch wenn du sie nicht kennst, auch wenn sie nur als Echo in meinem Herzen verbleiben.“
Er beugte sich leicht nach vorn, als würde seine Brust unter dem Gewicht unausgesprochener Worte und unter den Steinen der Sehnsucht, die hart in seinem Inneren eingeschlagen waren, ächzen.
Der Garten war still, und die Zeit verging gnadenlos, doch die Echos der Vergangenheit verschwanden nicht. Jedes alte Ereignis, jeder unverstandene Blick, jeder ungeschriebene Buchstabe… alles versammelte sich jetzt hier, an diesem besonderen Morgen.
Plötzlich… erreichten ihn leise Schritte. Er hob den Blick, und da stand ein junger Mann vor ihm, als sei er aus dem Herzen einer fernen Leere oder aus der Tiefe einer Erinnerung getreten, die in ihm noch immer brannte. Seine Schritte wirkten nicht flüchtig, sie schienen aus seiner eigenen Brust zu kommen, aus den Tiefen einer Flamme, die er einst zusammen mit dem Traum, der verloren ging, entzündet hatte.
Dann ertönte die Stimme… vertraut bis zum Schmerz, unerwartet bis zur Verwirrung:
„Warum hast du jene Flamme gelöscht, die wir gemeinsam entfacht haben?“
Seine Brust zitterte, sein Herz zog sich zusammen, und seine Sinne taumelten, als ob die Zeit plötzlich zerbrochen wäre und alles neu zu greifen begann.
Langsam hob er die Augen, ohne Hoffnung, um den jungen Mann zu sehen… es war ein reines Spiegelbild seines verlorenen Selbst; sein Blick trug dasselbe Leuchten, das er einst getragen hatte, als alles möglich schien und der Traum stärker war als die Angst.
Seine Lippen bebten, und er flüsterte innerlich mit einer leisen Stimme, als käme sie aus seinen eigenen Tiefen:
„Bin ich es nicht?! Sehe ich mich selbst?!“
Er konnte nichts anderes tun, als mit zitternder Stimme zu sprechen, voller Erstaunen, Hoffnung und stiller Anerkennung:
„Bist du gekommen, um mich zur Rechenschaft zu ziehen… oder um mich zu erinnern?“
Der junge Mann antwortete, seine Stimme trug eine Mischung aus Vorwurf und Sehnsucht:
„Du warst so… bis du beschlossen hast, aufzuhören zu denken.“
Der Mann saß einen Moment lang still, holte Vergangenes zurück ins Bewusstsein und spürte, dass jeder einzelne Augenblick auf dieses Treffen hingeführt hatte. Die Luft um sie herum war erfüllt von einem Schweigen, schwer von Erinnerungen, und der Garten selbst schien dieses Gespräch zwischen den Zeiten zu beobachten: der Zeit der Vergangenheit, die ihn getragen hatte, und der Gegenwart, die ihn jetzt durch sein jüngeres Spiegelbild wieder einholte.
Er sah den jungen Mann an und plötzlich erkannte er, dass er ihn nicht verloren hatte… dass er diesen Teil von sich selbst trotz der Jahre, trotz des Schweigens, trotz der Abwesenheit nicht verloren hatte.
„Wir sind zurück… am Anfang, dort, wo alles wieder neu geschrieben werden kann.“
Sein Herz stolperte, und die Worte drängten sich wie der Überfluss eines unvollendeten Traums in seinen Hals. Er machte einen Schritt ins Scheingefühl, zwei Schritte zurück in die Angst, und sprach dann mit zersplitterter Stimme, wie Glas der Erinnerung:
„Ihr seid zurück?… Wer seid ihr?!“
Kaum hatte er dies ausgesprochen, verwandelte sich die Szene in Vollkommenheit.
Ein weiter Raum, durchflutet von Sonnenlicht aus hohen Fenstern, in dessen Mitte ein alter Holztisch stand. Überall verstreut: Teetassen, offene Notizbücher und Gesichter, die sich unterschieden, vereint durch eines: das Gewicht der Erfahrung und die Fülle der Worte.
Faris, der frühere Kollege, der den Mann viele Jahre vor dessen Pensionierung begleitet hatte, griff nach seiner Tasse und starrte nachdenklich in den dampfenden Tee.
„Dummheit… manchmal wirkt sie wie die Kapitulation vor dem Schicksal. Der Mensch hat Verstand, doch er lässt ihn stehen – und das Leben geht einfach weiter.“
Mahmoud, ein anderer früherer Kollege, der wie ein einfacher, geduldiger Geist wirkte, widersprach mit ruhiger Stimme:
„Nein. Es ist eher die Distanz zur Religion. Wer ohne Leitfaden geht, verirrt sich. Viele verwechseln dabei nur zu leicht Glauben und Denken.“
Yusuf, der ehemalige Politiker, der bei jedem öffentlichen Treffen und jeder Diskussion präsent war, schlug ein Bein über das andere. Ein selbstsicheres Lächeln spielte auf seinen Lippen, durchzogen von leiser Ironie:
„Dummheit zeigt sich nicht nur im Handeln. Auch im Reden. Wir sehen großartige Redner – und fallen beim ersten Test des Handelns.“
Akram, der Universitätsprofessor und Enzyklopädist, senkte seine Brille auf die Nase, ließ seine Augen langsam durch den Raum gleiten und sprach methodisch, mit Bedacht:
„Dumm ist, wer alle Werkzeuge des Verstandes hat, sie aber nicht einzusetzen weiß. Er sieht, doch erkennt nichts. Er hört, doch lauscht nicht. Manchmal blitzt er auf, doch er kann die Dinge nicht verbinden oder die Folgen sehen.“
Huda, die gebildete Ärztin, die ihn während seiner ersten administrativen Aufgabe begleitet hatte, schüttelte den Kopf, ihre Augen funkelten vor Wissensdrang:
„Deshalb weigere ich mich, Dummheit als Schicksal anzusehen. Sie ist eine Krankheit, behandelbar wie jede andere – durch Bewusstsein und Orientierung.“
Laila, die einfache Witwe und Mutter, die früher oft in der Verwaltung nachfragte, um alles über die Aufgaben ihres Sohnes zu verstehen, lachte leise, um die Schwere der Diskussion zu brechen:
„Manchmal ist Dummheit nichts als ein Moment der Einfältigkeit… wir alle stolpern hinein, nicht wahr?“
Der Mann saß still, beobachtete jedes Gesicht, jede Nuance, jede Bewegung, jedes Lächeln. Erinnerungen an seine eigene Jugend kehrten zurück, als er lernen wollte, als er Fehler machte – und als ihre Abwesenheit alles unvollständig erscheinen ließ, die Welt selbst bedeutungslos an ihm vorbeizog.
Offene Notizbücher, verstreute Teetassen, die Stille zwischen den Sätzen – alles brachte das Gefühl des Fehlens zurück und ließ sein Herz den Nachhall verlorener Zeit aufnehmen, jene Stimmen, die er noch nicht gehört hatte, aber wusste, dass sie warteten, dass sie gesprochen werden wollten.
Fatima, die pragmatische Lehrerin, kommentierte streng, die Stirn gefurcht:
„Nein. Große Träume enden oft bitter.“
Suad, die Geschäftsfrau, die stets unterstützend zur Stelle war, legte ihre Hand selbstbewusst auf ihr Notizbuch, ihre Augen funkelten vor Ehrgeiz und Entschlossenheit:
„Geld schützt uns vielleicht vor Dummheit, aber nicht vor Einfältigkeit – weder uns selbst noch anderen gegenüber.“
Rami, der unerschrockene Journalist, der stets direkt auf die Gedanken des Mannes reagierte, zündete eine halbe Zigarette an, seine Augen wanderten zwischen den Gesichtern, als suche er nach verborgener Wahrheit:
„Stimmt. Der bürokratische Dumme, wie Samer, schiebt sein Scheitern auf die Umstände. Der praktische Dumme, wie Hussein, sieht die Idee klar vor sich – und schafft es doch nicht, ein einziges Brot auf den Tisch zu legen.“
Nader, der Künstler, ein Weggefährte aus Kindheit und Schulzeit, wandte sein Gesicht zum Fenster, flüchtete vor der Schwere des Tisches, seine Augen folgten dem Tageslicht, das zwischen den Vorhängen glitt. Halb spöttisch, halb träumerisch sagte er:
„Und da ist der symbolische Dumme… lebt in seiner eigenen Illusion. Er sieht das Leben durch eine poetische Linse und verliert sich zwischen Realität und Fantasie.“
Mona, die akademische Kollegin, scharf in Ton und Blick, als wolle sie die Bedeutung packen:
„Dummheit liegt im Kern… sie ist die Unfähigkeit, Intelligenz von Klugheit zu unterscheiden, Wissen von Erkenntnis.“
Salma, die erste Assistenz der gebildeten Ärztin, stützte die Hände auf den Tisch, leicht nach vorne geneigt, sachlich und bestimmt:
„In der Gesellschaft ist Dummheit Härte gegenüber den Schwachen… Vernachlässigung derjenigen, die keine Stimme haben.“
Laila, die Hausherrin, die stets eine Rolle zwischen den Verwaltungsaufgaben einnehmen wollte, lachte und zeigte mit dem Finger in die Luft, als wolle sie einen flüchtigen Gedanken fangen:
„Und dumm ist auch, wer alles falsch sieht… und dann die Fehler wiederholt, als sei es ein Hobby!“
Dalal, die hartnäckige Journalistin, fuhr sich durch das Haar und sah sich um, die Augen wach und fordernd:
„Manchmal ist Dummheit nur ein Schleier… sie verschönert das Hässliche, verbirgt die Wahrheit und lässt alles an seinem ‚richtigen‘ Platz erscheinen.“
Der Mann saß still, beobachtete jede Bewegung, jedes Wort, jeden Blick. Er spürte die Last der Erfahrungen, die jedes Gesicht trug, und verstand, dass das Gespräch über Dummheit mehr als Theorie war – es spiegelte ihr Leben, jede Abwesenheit, jeden Verlust, jede Schwäche und jedes Scheitern wider.
Während die Diskussion weiterging, erinnerte er sich an sich selbst in seiner Jugend, als er das Leben zu verstehen suchte, als er zu unterscheiden versuchte zwischen Wissen und Instinkt, als die Abwesenheit eine Leere hinterließ, die nur durch Schreiben und das stille Dasein der Geliebten gefüllt werden konnte.
Faris drehte die Tasse in den Händen, betrachtete die funkelnden Tropfen auf der Oberfläche und lächelte ruhig, ein Lächeln zwischen Erkenntnis und Resignation:
„Vielleicht ist der Dumme… jeder von uns in seinem Moment. Der heute Dummkopf kann morgen klug sein, und der Kluge stürzt morgen in unvergessliche Torheit.“
Akram nickte, die Augen suchten die Gesichter, als wollten sie hinter die Worte schauen:
„Dumm ist man nicht ohne Verstand… sondern ohne Kompass. Er geht, wo er nicht sollte, sieht gerade Wege als Kurven und Kurven als gerade Wege.“
Einige lachten, andere erröteten, die meisten versanken in Gedanken. Dummheit erschien nicht mehr als Einzelfehler, sondern als Spiegel, der die Schwächen aller Menschen reflektiert… und vielleicht den eigenen Witz des Lebens.
Ein schweres Schweigen senkte sich auf den Raum, drückte die Brust und machte die Luft schwer, bis es schien, als könne die Gegenwart kaum die Bilder tragen.
Nur die Atemzüge des Mannes erklangen, während ein anderer innerer Klang durch die Gänge seines Selbst wanderte, suchend nach einer verlorenen Wahrheit:
„Stehe ich vor den Teilen, die ich auf dem Weg verstreut habe?
Jedes Mal, wenn ich sagte: ‚Ich werde stärker sein‘, verlor ich ein Stück von mir?
Oder kehrt meine Erinnerung zurück, um mich zu bestrafen für das Vergessen, das ich bewusst wählte?
Wer entriss mir den Stift? Wer überzeugte mich vom Schweigen? Und wer löschte meinen Text, bevor er vollendet war?“
Er fragte sich still: Richtete er seine Worte ins Leere? Hörte er, wovor er sich all die Jahre gefürchtet hatte? Und das Schlimmste: Gab es überhaupt eine Antwort?
Der Mann lehnte sich zurück, umhüllt von Stille, während Erinnerungen in jede Ecke seines Selbst sickerte. Ein Gefühl von Rätselhaftigkeit und Sehnsucht, ein Gemisch aus Angst und dem Wunsch, dem Verlorenen zu begegnen, ließ sein Herz in schwerer Stille schlagen, belastet von den Jahren.
Der junge Mann antwortete nicht. Er zog seinen schmalen Körper auf den gegenüberliegenden Stuhl, die Hände zitterten leicht, bevor sie ziellos in Richtung des Gartens glitten. Seine Augen deuteten auf etwas, das Worte nicht erfassen konnten – auf die Leere selbst, als hielte sie all die Antworten, die kein Laut aussprechen konnte.
Seine Augen sagten, was sein Mund verschwiegen hatte:
„Schau…“
Es war keine wirkliche Stimme, nur ein inneres Echo, das sich in seinem Kopf formte, bevor es sein Ohr erreichte.
Plötzlich glitten blasse Schritte zwischen den Bäumen hervor; sie berührten den Boden nicht, sondern schienen daraus zu wachsen. Stille überkam ihn, und er fragte sich: „Hört er sie allein? Oder ist die Stille zwischen ihnen ein drittes Ohr, das mithört?“
Die Luft teilte sich von einem Schatten, schwer von Niederlagen, und die Szene offenbarte sich langsam.
Die erste, die kam, war eine Frau. Ihr Haar wirr wie dürre Äste, die Augen sprachen für jedes ungesagte Wort. Ihr Blick, durchdrungen von Enttäuschung, fragte stumm:
„Wo warst du, als ich fiel? Warum ließest du die Tür angelehnt?“
Sie sprach nicht, brauchte es nicht. Ihr ganzer Körper schrie Vorwurf, und eine einzige Bewegung von ihr holte Jahre des Schweigens und der Enttäuschung zurück.
Dann trat ein großer Mann ins Bild, schnelle Schritte, als zähle er sie einzeln. Sein grauer Mantel strich über das Gras, sein Schweigen klang wie das Summen alter Weisheit. In seiner Hand hielt er ein dickes Buch, aus dessen Seiten bunte Markierungen hervorquollen – unvollendete Lesespuren, Hinweise auf Wegen, die er fürchtete, würden verblassen.
Der Mann auf dem Stuhl spürte ein undefinierbares Zusammenziehen: Waren es Fremde, die zu ihm kamen? Oder Geister seiner eigenen Gedanken, die ihn zu den Versäumnissen führten, die er zu lange ignoriert hatte? Er wagte es nicht, aufzuschauen, tauchte tief in sich ein und fragte:
„Sind sie wirklich hier? Oder öffnete ich die falsche Tür in meiner Erinnerung?“
Er wandte sich dem Jungen zu, als suche er Rettung in einer Antwort:
„Wer sind sie?“
Doch der Junge lächelte nur rätselhaft, als wüsste er mehr, als er je preisgeben würde.
Plötzlich drehte sich der Garten wie ein Theaterstück; Vorhänge bewegten sich langsam, schwaches Licht floss wie ein Faden aus Erinnerung, und der alte Holztisch vereinte sie wieder.
Sie saßen an ihren Plätzen, und er nahm den Rand, nicht wie einer von ihnen, sondern wie ein Gast in seinem eigenen inneren Saal, der ihre Anwesenheit betrachtete, als wären sie Verkörperungen von Erinnerungen und Gefühlen, die er nie ausgesprochen hatte.
Faris eröffnete das Gespräch, seine Stimme ruhig wie eine Brise, die alte Blätter in der Luft neu ordnet, bevor sie zu Boden fallen:
„Wenn wir die Dummen hinter uns lassen, gibt es Stufen, die ihnen nah sind… jede Stufe trägt ihr eigenes Gesicht.“
Mahmoud lehnte sich mit einem Lächeln zurück, das sowohl Sanftmut als auch Entschlossenheit ausstrahlte:
„Die Öden… ein Geist wie unfruchtbares Land. Sie bringen keinen Gedanken hervor. Sie irren nicht, weil sie nichts kennen, in dem sie irren könnten. Stagnant… weder schädlich noch nützlich. Wie ein stilles Grab.“
Yusuf hob die Augenbraue, halb spöttisch, halb ernst:
„Die Toren… ein kindlicher Verstand. Sie begreifen die Hälfte der Bedeutung und lassen die andere Hälfte liegen, mischen Ernst mit Scherz, Gefährliches mit Leichtem. Unschuld in ihrer Unwissenheit, sie bringen die Leute mehr zum Lachen als zum Zorn. Man fragt sich manchmal: Lachen wir über sie oder mit ihnen?“
Akram richtete seine Brille, sah zu Nader hinüber wie ein Lehrer, der eine abwesende Klasse erklärt:
„Und die Irren… ein zerbrochener Geist. Gleichgewichtslos, springen von einem Gedanken zum nächsten ohne Zusammenhang, rennen einem Schatten nach. Sie wissen nicht, wann etwas beginnt oder endet. Als wäre die ganze Welt für sie ein Chaos.“
Stille senkte sich wieder auf den Garten, schwer, spürbar, drückend auf die Brust. Er saß inmitten einer Dämmerung aus Empfindungen, die Zeit und Raum verschmolzen. Sein Atem ging schwer, jeder Ein- und Auszug erinnerte ihn an das, was vergangen und versäumt war. Blasses Morgenlicht drang zwischen Baumstämme, zeichnete lange Schatten, Menschen, die aus ihm selbst zu treten schienen, begleitet von Erinnerungen und dem Flüstern der Vergangenheit.
Plötzlich erschien ein bekanntes Lächeln – Huda. Er war sich nicht sicher, ob sie wirklich vor ihm saß oder ob sie aus seiner alten Erinnerung herausgetreten war, um jetzt mit der Stimme der Ärztin zu sprechen, die die Geheimnisse der Seele las:
„Der Naive… sein Geist rein, aber zerbrechlich. Er glaubt alles, was man ihm sagt, wie ein Kind einer Geschichte. Nicht völlig dumm, aber leicht zu täuschen. Er wird leicht getäuscht… und gibt die Täuschung als blindes Vertrauen zurück. Dafür braucht es keine Strafe, nur Bewusstsein, das ihn weckt.“
Der Mann saß schweigend da, lauschte jedem Wort, als würden sie in die verborgensten Winkel seines Selbst eindringen, seine Gedanken ordnen und ihn aus einem langen Schlaf wecken, der sich zwischen Abwesenheit, Sehnsucht und der Angst vor der Wahrheit erstreckte.
Eine sanfte Stimme, wie ein Hauch, der durch ein geschlossenes Fenster schlüpfte, sagte:
„Der Langsame… seine Bewegungen zäh.
Er nimmt den Gedanken auf, wie die Erde den Regen aufnimmt.
Er saugt ihn auf, doch er bringt weder Blüte noch Frucht hervor.
Er irrt nicht viel, aber er verpasst den Moment des Handelns, als würde die Zeit an ihm vorbeiziehen, ohne ihn zu berühren.“
Plötzlich ertönte ein kurzes, abgehacktes Lachen, wie ein Funke – es war Rami, der Journalist, mit einem spöttischen Gesicht und hungrigen Augen voller Neugier:
„Der Naive… sein Verstand durchlöchert.
Er weiß vieles, doch lässt weite Lücken, durch die Täuschung eindringen kann.
Er mag in einer Situation klug erscheinen, doch in der kritischen Stunde wird er zur leichten Beute.“
Dem Lachen folgte das scharfe Aufklirren einer Tasse auf dem Tisch. Es war Suad, die Geschäftsfrau, deren Schatten streng auf ihn gerichtet war:
„Es ist kein absolutes Dummheit, sondern Masken.
Jeder von uns kann in einem Moment der Schwäche seine Maske tragen, ohne zu merken, wie nah er ihr doch ist.“
Schließlich trat aus der Dunkelheit Muna, die Forscherin, hervor. Ihre Augen glänzten hinter einer Brille, die den Abstand zwischen Stimme und Körper verringerte. Ihre Stimme stieg, als wolle sie das ganze Ringen zusammenfassen:
„Die Öden brauchen Wissen, die Toren Geduld, die Irren Kontrolle, die Naiven Weckung, die Langsamen Eile, und die Leichtgläubigen Beobachtung.
Jede Stufe hat ihr eigenes Heilmittel.“
Er spürte, wie die Stimmen in seinem Kopf sich kreuzten –
wie ein geheimes Tribunal, errichtet in den Tiefen seines Inneren.
Leise, bebend, fragte er sich:
„Meint ihr mich? Oder nur jemanden, der denselben Weg gegangen ist?
Oder habt ihr längst euer Urteil gefällt –
weil ich euch mit meiner allzu durchsichtigen Einfachheit
genau das zeigte, was ihr sehen wolltet?“
Da bewegte sich ein Schatten im Hintergrund, langsam, tastend,
bis er die Gestalt eines kleinen Kindes annahm, das auf allen Vieren kroch.
Das Kind sprach nicht, doch seine bloße Anwesenheit
füllte die Szene mit einer unerklärlichen Gewissheit.
Das Herz des Mannes schwankte zwischen Furcht und Erkennen.
Etwas in den Zügen des Kindes war ihm schmerzhaft vertraut:
die weiten Augen, das Zittern der Finger,
selbst die leicht schiefe Haltung.
Er hatte dieses Bild schon gesehen –
in alten Fotografien, in verstaubten Spiegeln,
und vielleicht in Träumen, die er nie zu bekennen wagte.
Da begriff er:
All die Stimmen – Nawal mit ihrem Lachen, Dalals Schärfe,
die spöttische Unsichtbare, selbst Hudas Diagnose und Munas Analyse –
waren nichts anderes als Masken.
Masken, die nur ein Gesicht umkreisten: das des Kindes.
Er flüsterte, halb gebrochen, halb erleuchtet:
„Alle sprachen von dir – und sie sprachen von mir.
Seit meiner Kindheit trage ich diese Stimmen.
Ich bin nie vor ihnen geflohen.
Ich habe sie nacheinander angezogen wie Kleider.
Aber vergessen, wer ich war – das habe ich nie.“
Er senkte den Kopf.
Das Kind blieb stehen, unbewegt,
doch es schien plötzlich größer, tiefer, gewichtiger.
Wie ein Schlüssel, der Türen öffnet,
vor denen er nie gewagt hatte zu klopfen.
In diesem Augenblick verstand er:
Die Wahrheit lag nicht in den Stimmen, nicht in den Gesichtern,
die ihn umringten.
Die Wahrheit lag im Kind.
In diesem ersten Samenkorn,
aus dem alles erwachsen war.
Ein leises Lachen durchzog den Garten –
wie das Summen einer Biene, spöttisch, beinahe unsichtbar.
Nawal, die Hausfrau, neigte den Kopf,
lachte wie jemand, der einen allzu naiven Vorhang lüftet,
und sagte mit einer Stimme, die zwischen den Wänden widerhallte:
„Dummheit ist kein einzelnes Gesicht,
sondern eine ganze Galerie von Masken …
und jede zeigt sich, je nach Augenblick und Gelegenheit.“
Kaum waren die Worte verklungen,
beugte sich Dalal, die Journalistin, nach vorn,
verschlang mit den Fingern die Tischkante,
ihre Augen fest auf die anderen gerichtet,
mit der Gewissheit einer, die das Ziel kennt,
noch ehe der Pfeil abgeschossen ist:
„Und wenn ein Mensch sich in einer dieser Masken erkennt,
muss er fragen:
Ist er Opfer der Dummheit –
oder der Urheber seiner eigenen Fehler?“
Eine feine Gänsehaut ging durch den Garten.
Der Ort schien erfüllt von unsichtbaren Spiegeln,
jeder warf ein anderes Antlitz der Anwesenden zurück.
Der Mann spürte, dass diese Gesichter
nicht um ihn herum aufragten,
sondern aus seinem Inneren hervordrangen –
als wäre sein Körper eine Halle,
in der all diese Stimmen Platz genommen hatten.
Plötzlich zerriss ein höhnischer Laut die Stille,
kurz, scharf, doch nachhallend wie ein Stein,
der in den kleinen Teich seiner mühsamen Ruhe geworfen wird:
„Schon wieder auf der Flucht?
Als hättest du nichts gelernt!“
Kein Gesicht erschien,
doch der Spott selbst formte die Züge:
schräg gezogene Brauen, ein Mund,
verengt vom ständigen Lachen über wiederholtes Scheitern.
Das Herz des Mannes bebte.
Und er fragte sich, nur für sich hörbar:
„Seid ihr die Letzten?
Oder die Ersten?
Oder habe ich den Ursprung der Geschichte
noch immer nicht erreicht?“
Hinten im Garten erhob sich langsam das Kind.
Es drehte sich nicht um, stand still –
als wüsste es, dass Stimme keinen Körper braucht.
Denn sie wohnte längst in ihm,
in jenem dunklen Zwischenraum
zwischen Erinnerung und Furcht.
Er spürte plötzlich: Der Kreis hatte sich geschlossen.
Alle Stimmen, die ihn bedrängten, waren nur Schichten, die abblätterten – bis sein eigenes Gesicht sichtbar wurde.
Aus der Tiefe des Schattens erhob sich eine Stimme, kalt und endgültig:
„Sieh nur, da strömen sie herbei:
aus vergilbten Heften, die darauf warten, dass du zu Ende schreibst,
aus Wunden, die im Schweigen eiterten,
aus Gedanken, die nie zu Papier durften, weil die Tinte schärfer brannte als der Schmerz,
aus Momenten, die zwischen einem ungelebten Ja und einem nie bekräftigten Nein hängenblieben.
Jeder von ihnen trägt ein Stück von dir – vergessen oder nur verdrängt.“
Ein Schnitt, als ob eine Buchseite umschlüge.
Fünfzehn Studierende sitzen in einem weißen Saal. Halbkreisförmig die Stühle, ausgerichtet auf ein Podium, das auf das erste Wort wartet. Licht fällt durch große Fenster, glänzt auf Heften und Stiften, zeichnet Gesichter: gespannt, zögerlich, neugierig. Auch die Wände scheinen ihre Unsicherheit zu teilen.
Kapitel Neun
Der Professor tritt ein, sicher, fast lautlos. Die Brille in der Hand, die Stimme ruhig, fest:
„Ihre Aufgabe in diesem Semester ist kein Referat. Es geht um eine lebendige Forschung.
Jede und jeder von Ihnen entwirft die Grundidee seiner Abschlussarbeit – als stünde die Verteidigung unmittelbar bevor.“
Er schweigt, lässt den Blick durch den Raum wandern, lächelt dann mild, um die Anspannung zu lösen:
„Am Ende sammeln wir alle Entwürfe, vergleichen, suchen nach Gemeinsamkeiten – und nach den feinen Unterschieden.
Doch das bleibt nicht Theorie. Bringen Sie ein Beispiel aus der Wirklichkeit: als Bild, als Erzählung, oder als Figur. Aber mit Namen aus einer anderen Welt – die der Tiere, der Pflanzen.
Es wird kein Ahmed geben und keine Leila. Sondern Adler. Lilie. Fuchs. Feigenbaum.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann zogen zögernde Lächeln durch die Reihen, gefolgt von leisem Flüstern. Für manche wirkte die Aufgabe wie ein spielerisches Experiment, für andere wie eine Last, die plötzlich auf ihre Schultern fiel.
Die Stifte begannen zu kratzen. Jeder suchte nach seiner Maske, nach dem Bild, das ihn spiegelte:
Die Schildkröte – langsam im Denken, bedächtig im Argumentieren, doch mit einer Geduld, die selbst die Zeit überdauert. Fares, der pensionierte Beamte, erkannte sich in ihr. „Manchmal“, murmelte er, „lehrt die Langsamkeit mehr als jede Hast.“
Die Schwalbe – flink, sprunghaft, wie ein Funke, der aufblitzt und erlischt. Huda, die Ärztin, neigte den Kopf: „Genie ohne Richtung ist Chaos – und bleibt dennoch ein Licht, das man festhalten möchte.“
Der Kaktus – wortkarg, abwartend, als würde er die Welt auf einer unsichtbaren Waage prüfen, bevor er spricht. Akram, der Professor, nickte: „Standhaftigkeit im Recht wiegt manchmal schwerer als alle Reden.“
Die Jasminblüte – voll Gefühl, ihre Worte duften wie ein Parfum, das Herzen gewinnt, selbst wenn es den Verstand überfordert. Leila, die verwitwete Mutter, lächelte: „Gefühle bewirken Wunder, doch ohne Grenzen ertrinkt man in ihnen.“
Und die Bilder reihten sich aneinander, als verwandle sich der Saal in einen symbolischen Wald:
Der Adler – scharfsichtig, kompromisslos, doch schnell entflammbar. Rami, der Journalist, der Widersprüche gnadenlos offenlegt.
Der Fuchs – schlau, berechnend, gefangen in den eigenen Ränken. Youssef, der Politiker, glänzend im Wort, unfähig im Handeln.
Der Baum – schweigend, tief verwurzelt, langsam im Begreifen – ein Spiegel von Akrams nachdenklicher Art.
Die Ente – gutgläubig, nimmt alles für bare Münze, wie jene Studenten, die Fehler immer wiederholen.
Die Heuschrecke – voller Wissen, doch mit einem Geist voller Lücken, durch die jede Täuschung schlüpfen kann.
Und schließlich die Nachtigall – naiv, spielerisch, vermischt Ernst mit Scherz, bringt mehr Lachen als Ärger, wie die jungen Gesichter voller überschäumender Energie.
Das kahle Land: unfruchtbar, ein Geist ohne Samen. Es macht keine Fehler, weil es nie etwas kannte, worin man irren könnte. Still wie ein Grab, das atmet, als warte es nur darauf, dass jemand es erweckt.
Während die Gestalten auf dem Papier Form annahmen, verwandelte sich die Szene in einen Spiegel: Jeder Student schrieb sich selbst, jede Figur sprang aus einem Heft in ein anderes Gedächtnis, tanzte zwischen Wirklichkeit und Symbolik. Der Saal war plötzlich mehr als ein Raum – er wurde zu einer kleinen Welt, in der Seelen pulsieren, Geheimnisse aufbrechen und jeder seine eigene, noch ungeschriebene Geschichte betritt.
Es war, als stünde man auf einer offenen Bühne: Masken des Verstandes wanderten durch die Reihen, Gesichter der Vergangenheit setzten sich neben die der Gegenwart. Ein Kreis ohne Ende, in dem sich Stimmen verflochten wie Farben auf einem Gemälde, das die Zeit selbst gemalt hatte.
Das Gespräch floss dahin, überkreuzte sich, verflocht sich – als malten die Stimmen selbst ein sichtbares Bild vor den Augen.
Mona, die junge Wissenschaftlerin, lehnte sich zurück, die Augen prüfend wie eine Forscherin ihren Text, und sagte ernst:
„Dummheit ist keine einzelne Gestalt, sondern ein wandelndes Tableau. Jede Figur tritt nur hervor, wenn die Situation sie ruft.“
Salma, die Krankenschwester, neigte leicht den Kopf, spielte mit der Kante ihres Heftes und fügte nüchtern hinzu:
„Dumm ist nicht nur, wer sich selbst verirrt, sondern auch, wer andere verletzt – oder die Schwachen übersieht.“
Nawal, die Hausfrau, lachte leise, in ihren Augen ein warmes, spöttisches Funkeln:
„Manchmal verbirgt sich der Dumme hinter klugen Masken, spielt den Lehrer – und hat doch die Lektion nie gelernt.“
Dalal, die Journalistin, verschränkte die Finger selbstbewusst auf dem Tisch, blickte prüfend in die Runde und sagte:
„Oft ist Dummheit auch ein Schleier… Sie verschönt das Hässliche und deckt Wahrheiten zu. So, wie wir es in den Medien tun.“
Ein Wispern, ein Lächeln ging durch den Raum. Der Saal wurde zum Spiegel, in dem alle Masken Platz fanden: der Narr, der Tölpel, der Tor, der Naive, der Einfältige – jede Schattierung des Menschseins.
Faris griff nach seiner Teetasse, lächelnd:
„Vielleicht ist der Dumme jeder von uns – in einem Moment. Und der Kluge – derselbe, nur in einem anderen.“
Akram nickte, seine Augen blitzten nachdenklich:
„Ja… Dummheit bedeutet nicht, ohne Verstand zu sein, sondern ohne Kompass. Sie hält den Umweg für den geraden Weg – und den geraden für eine Täuschung.“
Alle lachten. Doch in ihren Blicken lag ein heimliches Leuchten: Das Verständnis, dass Dummheit nicht nur ein Fehler des Einzelnen ist, sondern eine Lektion – über die Vielfalt der Menschen und über die Zerbrechlichkeit des Menschen vor sich selbst.
Plötzlich zerbrach die Szene – als wäre ein Vorhang gefallen, der eine andere Geschichte verbarg.
Im Innern des Kindes hallte eine Frage, zu groß, um laut ausgesprochen zu werden:
„Sind sie gekommen, um mich zu holen?
Oder um mir zurückzugeben, was ich mit Absicht begraben habe?“
Unter dem Baum, im Schatten, der keinem Schatten glich, begann die Vorstellung – und niemand konnte sich entziehen. Nicht einmal er selbst.
„Wer ist das?“
Die Stimme des Mannes war heiser, jeder Laut bebte, als zweifelte er an den eigenen Augen. Er stand am Rand der Szene, den Körper nach vorn geneigt, als wolle er die Wahrheit mit dem Blick erreichen, ehe sie ihn überfiel.
Der junge Mann antwortete nicht sofort. Er wandte sich ihr zu, hielt den Blick lange fest – suchte in ihren Zügen nach einem vergessenen Gestern, nach einem Versprechen, das viel zu spät kam.
Dann flüsterte er, die Worte zerbrechlich zwischen Erinnerung und Reue:
„Sie ist die, über die du schreiben wolltest… und nie geschrieben hast.“
Seine Worte klangen wie ein Urteil, nicht wie eine Mitteilung.
Er fuhr fort, schwankend zwischen Vorwurf und Mitleid:
„Sie wartete auf ihr Erscheinen in einem deiner Kapitel. Doch sie blieb hängen – zwischen einer Geschichte, die du begonnen, und einer, die du nie vollendet hast.“
In seinem Inneren schrie der junge Mann, die Stimme brach aus der Tiefe seines Herzens:
„Du hast sie gekannt!
Alles in dir warnte vor ihrer Ankunft. Aber du begnügtest dich mit der Annäherung – und zogst dich zurück.
Als fürchtetest du, die Wahrheit zu schreiben… und dich damit unaufhaltsam zu verstricken.“
An diesem Punkt zerbrach die Szene, und der Raum verwandelte sich schlagartig.
Der Stuhl war nun voll besetzt, doch er schien niemanden zurückzuweisen. Der Mann hielt das Notizbuch noch immer fest umklammert, als wäre das Schreiben seine einzige Antwort auf die Existenz, auf alles.
Aber die Schatten blieben nicht stumm.
Unter den Bäumen trat die Gestalt hervor, die eben noch nichts weiter gewesen war als eine spöttische Stimme. Jetzt stand sie da – ein hagerer Mann in einem alten Anzug, die Augen schmal wie Kameralinsen, die nie blinzelten.
Er lachte leise, ein Laut, der die Luft mit schwerem Schweigen füllte, und sagte:
„Endlich hast du beschlossen, mich zu sehen.
Ich weiß, ich habe dich gequält… Aber glaub mir: ich war der Einzige, der dich nie belogen hat.“
Der Mann schwieg, als sei seine Stimme tief in seiner Brust eingeschlossen.
Doch der junge Mann sprang auf, in seinen Augen brannte der Zorn:
„Das ist er! Er hat dich gefesselt!
Er hat dich gezwungen, das zu schreiben, was den Leuten gefiel – nicht das, was wirklich du bist!“
Der Schatten erwiderte ruhig, mit einer Kälte, die das Schweigen zerschnitt:
„Ich bin nichts anderes als dein Spiegel, sobald du das Licht ausmachst.
Ich bin die Gedanken, die du verworfen hast, aus Angst, jemanden zu verletzen.
Ich bin das Ungeschriebene – weil du fürchtetest, es würde niemand verstehen.“
Da trat ein Mann mit Mantel einen Schritt vor, sein Körper bewegte sich zwischen Schatten und Licht:
„Nein. Du bist die Versuchung der Macht.
Du verwandelst Denken von einem Werkzeug der Wahrheit in ein Mittel zur Flucht.“
Und dann trat eine Frau hervor, mit tränenfeuchten Augen, ihr Körper sprach, was keine Worte zu tragen vermochten:
„Und ich… ich war ihr Opfer.“
Jedes Mal, wenn ich etwas spürte, das mich traf, warst du es, der mich zum Rückzug brachte.
Jede Szene, die ich schrieb, hast du vor mir gelöscht.
Der Mann machte einen Schritt zurück. Seine Schritte hallten leise auf dem Boden, als atmete der Raum selbst mit ihm.
Sein Atem zitterte. Die Hand, die das Papier vom Tisch schob, ließ Blätter wie Vögel davonfliegen – fliehen vor der Schwere der Wahrheit, die auf ihnen brannte.
Seine Stimme zitterte, zwischen Worten unterbrochen:
„Aber… ich hatte Angst, euch zu verletzen, wenn ich mich stellte.“
Der Schatten lächelte, ein kaltes, fast flüchtiges Lächeln. Es war, als leuchte ein schwaches Licht direkt ins Herz des Mannes, bevor es seine Augen berührte.
„Nein… du fürchtest nur, dir selbst zu schaden, wenn du die Wahrheit sagst.“
Plötzlich trat das Kind aus den Schatten. Leise Schritte, als atme der Boden mit ihm. Seine Augen glühten mit überraschender Kühnheit, die Lippen zitterten kurz, bevor es fragte:
„Erschreckst du ihn, weil du echt bist?“
Der Mann erstarrte, die Welt schien sich zu verkleinern, nur noch Raum zwischen ihm und diesen funkelnden Augen.
Der Schatten schwieg kurz, dann setzte er sich langsam auf den Boden. Sein Rücken entspannte sich, doch seine Präsenz verbreitete eine stille Ehrfurcht:
„Tausendmal erschrecken ist besser, als einmal mit Lüge zu beruhigen.“
In diesem Moment stiegen die inneren Stimmen des Gartens auf. Die leisen Flüstern der Anwesenden setzten sich wie auf den Rand der Schatten, ein Echo aus Sorge und Neugier, das sich zwischen den weißen Wänden verfing, die den Garten umschlossen – als wollte der Ort selbst am Gespräch teilnehmen.
Dann öffnete die Mutter den Mund. Ihre Stimme leise, doch durchdringend, aus der Tiefe von Sehnsucht und Sorge:
„Ihr alle seid meine Kinder.
Aber nur einer von euch… wird am Ende der Nacht zurückkehren und an die Tür klopfen.“
Ein Schauer kroch durch die Ecken des geschlossenen Gartens, doch die Schatten breiteten sich weiterhin über Boden und Wände aus, als würden sie im flackernden Licht der Fenster tanzen. Sie wirkten wie lebendige Geister, die zwischen den Anwesenden, den Stühlen und den Büchern wanderten, jede Bewegung, jeden Herzschlag beobachtend.
Alle blickten sich um. Augen suchten im Durcheinander von Neugier und Verwirrung nach Bedeutung – das Zittern der Finger, das Lichtblitzen in verborgenen Winkeln. Nur er verstand alles. Es war, als hätte die Zeit in seiner Brust stillgestanden, als sei alles um ihn herum zur Bühne geworden, auf der Erinnerungen, Stimmen und Schatten ihr Spiel trieben, dem er nie zu entkommen vermocht hatte.
Eine schwere Stille dehnte sich eine volle Minute lang aus, fast greifbar, die Wände schienen sich um die Anwesenden zu ziehen. Jede Bewegung, jeder zitternde Finger, jedes Blättern der Papiere hallte wider. Langsam begannen die Schatten sich zu bewegen, atmeten förmlich, verschmolzen mit den Sonnenstrahlen, die durch die Fenster fielen, und wurden zu Geistern zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Das Kind saß auf dem Boden, ohne jedoch den Blicken zu entgehen. Seine Augen wanderten zwischen allen, leuchteten manchmal auf, durchbrachen die Schatten wie kleine Flammen, die verborgene Dinge in den Herzen sichtbar machten. Schon eine kleine Bewegung seiner Schultern, ein leichtes Kopfnicken genügte, um die Bewegungen der Erwachsenen neu zu ordnen – als würde seine bloße Anwesenheit ein unsichtbares Gleichgewicht im Raum herstellen.
Der Schatten erhob sich ein Stück, trat vorwärts, als würde der ganze Raum auf seine langsamen Schritte reagieren. Dann sprach er, eine Stimme zwischen zwei Schweigen:
„Jeder von euch trägt einen Teil der Wahrheit in sich, die ihr vor euch selbst verborgen habt. Jede Bewegung, jedes Lächeln, jede Angst – ein Spiegel für euch.“
Die Mutter ließ ihre Stimme zittern, die Worte schienen fast zwischen ihren Lippen zu zerbrechen, doch sie sprach klar und eindringlich weiter:
„Manchmal glauben wir, unsere Lieben zu schützen. In Wahrheit aber erwürgen wir sie mit unserer Angst… und mit unserem Schweigen.“
Der Mann hob langsam den Kopf. Seine Augen trafen die Schatten, suchten das Zusammenspiel von Licht und Dunkel. Seine Hände zitterten, tasteten nach den vernachlässigten Heften auf dem Tisch, deren Seiten im Sonnenlicht wie offene Augen glühten. Leise flüsterte er:
„Bin ich das? Oder das, wovor ich von Anfang an Angst hatte?“
Alle um ihn herum schienen Teil eines lebendigen Traums zu sein, genährt vom Licht der Zeit und ihren Schatten. Einige neigten den Kopf nach vorn, warteten auf ein Zeichen, andere wandten sich den Mitmenschen zu, als wollten sie die Geheimnisse des Raumes entziffern. Jeder kleine Laut, jede Nuance, jede noch so leise Stimme wurde gewichtig; jedes Lachen, jedes Flüstern breitete sich aus, webte Wellen aus Angst und Neugier, die mit den vergänglichen Tönen der Zeit verschmolzen – als trügen sie ihre eigene Poesie und Seele.
Plötzlich bewegte sich der Schatten langsam, und der ganze Raum schien den Takt aufzunehmen. Er trat dem Mann näher, Schritt für Schritt, bis er vor ihm stand, ruhig, doch drängend wie ein Herzschlag, der nicht zur Ruhe kommt:
„Siehst du es jetzt? Spürst du alles, was du so lange zu ignorieren versuchtest? Jede Scham, jedes Zögern, jede Angst… sie sind Teil von dir, Teil, der noch ungeschrieben ist.“
Der Mann machte einen Schritt zurück, blieb jedoch stehen. Sein Herz flatterte wie ein gefangenes Schmetterlingspaar, jeder Atemzug verschmolz mit flackerndem Licht, Schatten und den glühenden Augen der Anwesenden. Der Raum selbst wurde zur lebendigen Bühne, nur getrennt von der Wahrheit durch ein mattes Licht, das vom fernen Mond zeichnete, und durch einen erstickenden Schweigehauch. Eine innere Stimme schrie nach Sehnsucht:
„Wenn alles einen Anfang hat… muss es hier mit dem Geständnis enden.“
Er erinnerte sich an die Nächte unter dem Mondlicht, wie er damals spürte, dass er nicht allein ging. Ein stummer Begleiter wachte über seine Träume, hörte sein Schweigen. Und jedes Mal, wenn er in der Kindheit die Augen schloss, war er da – ein Geist in seiner Seele, der ihn daran erinnerte, dass nichts verloren geht und alles, was er sah und fühlte, eines Tages in irgendeiner Form Gestalt annimmt.
Als er älter wurde und durch die hellen Gassen von Damaskus ging, die Wände erstarrt, die Schatten auf das Pflaster zurückwerfend, folgte ihm noch immer das Mondlicht. Es zeugte von jeder Angst und jedem Glück, erinnerte ihn daran, dass die Kindheit nicht verschwindet, sondern sich in die Stille des Herzens und der Seele verlagert. In den Tagen der Belagerung und der inneren Ängste, im Gefängnis des Geistes, hob er den Kopf und suchte den Mond, der als einziger seine Wahrheit kannte, sein Schweigen hörte und sein Geheimnis bewahrte. Er erinnerte ihn daran, dass die Träume, die Freude und die Einsamkeit der Kindheit nicht vergehen und dass er seinen Weg finden wird – bewahrt und bezeugt von diesem stillen Zeugen.

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